Kopfüber

Filmplakat: Kopfüber

FBW-Pressetext

Der 10jährige Sascha ist ein sehr aufgeweckter Junge, der manchmal nicht so recht weiß, wohin mit seiner Energie – Probleme sind da vorprogrammiert. Immer verlassen kann er sich eigentlich nur auf seine beste Freundin Elli, mit der er gemeinsam Abenteuer erlebt. Langsames Vertrauen entwickelt er auch zu Frank, seinem Erziehungsberater. Als auf dessen Initiative hin bei Sascha ADHS diagnostiziert wird ändert sich Sascha von heute auf morgen, was vor allem Elli gar nicht gefällt. Die Erzählung aus Saschas Perspektive überzeugt durch die bis ins Detail recherchierte Darstellung der Lebenswelt eines an ADHS erkrankten Jungen, der von Marcel Hoffmann wunderbar verkörpert wird. Die Krankheit und der Umgang damit stehen im Mittelpunkt des Films. Einen wichtigen Stellenwert räumt der Film vor allen Dingen der Freundschaft zwischen Elli und Sascha ein. Durch sein außergewöhnliches und hochaktuelles Thema und seine sensible Erzählhaltung lädt der Film sowohl Kinder, Jugendliche als auch Erwachsene zum Nachdenken ein.

Jury-Begründung

Prädikat wertvoll

Sascha ist zehn Jahre alt und pflegt zusammen mit seiner Freundin Elli ein extravagantes Hobby: die beiden nehmen Geräusche auf, die dann zu Ton-Collagen komponiert einen ganz besonderen Klangteppich ergeben. Dabei ist Sascha eigentlich eher ungestüm, er liebt und repariert Fahrräder. Aber er klaut sie auch und er hat Probleme in der Schule, denn er kann weder richtig schreiben noch lesen. Zusammen mit seinen beiden älteren Geschwistern und seiner Mutter lebt Sascha in einer Hochhaussiedlung und Elli ist seine einzige verlässliche Bezugsperson. Als sich seine Schwierigkeiten häufen und die Polizei immer wieder bei seiner Mutter vor der Tür steht, weiß diese sich keinen Rat mehr. Sascha wird in eine Förderschule versetzt, bekommt einen Erziehungsbeistand und wird, als das alles nicht genug scheint, ärztlich mit Therapie und dem Medikament Ritalin versorgt. Aus Sascha wird ein häufig müder, aber nun guter Schüler, der keine Zeit mehr für seine Freundin Elli und auch sonst wenig zu lachen hat.
Die Schilderung von Saschas Alltag scheint nicht ungewöhnlich, wenn auch nicht alltäglich zu sein. Durch die Art, wie Marcel Hoffmann dem Sascha Persönlichkeit verleiht, bekommt sie eine ganz starke Wirkung. Der geradlinigen, klaren Regie, die fast durchgehend dokumentarisch wirkt, gelingt es überzeugend, die Einsamkeit und Verlassenheit des Jungen deutlich zu machen. Dazu zeigt der Film auch, wie Sascha im besten Sinne „verwaltet“ wird, ohne zu bekommen, was er wirklich braucht: eine verlässliche Bindung und damit Sicherheit, in der er sich entfalten könnte.
In jeder Aktion Saschas ist das zu spüren, seine Suche, seine Unsicherheit, die er zu überspielen versucht, beim Rauchen, beim Klauen und Verticken des Geklauten. Fast jede seiner Handlungen scheinen ein Schrei zu sein: Seht mich an, hier bin ich!
Die ihn umgebende Familie harmoniert vor allem beim gemeinsamen Fernsehen, sonst gibt es kaum Zeit füreinander. Und auch als Sascha endlich so funktioniert, wie es die Gemeinschaft von ihm erwartet, erhält er wenig Feedback.
Konsequent, in ruhigen Bildern lässt der Regisseur seinem Hauptdarsteller Zeit, sich zu entfalten.
Interpretationen werden dem Zuschauer überlassen. Die Maßnahmen, die zu Saschas Veränderung führen, werden nicht von außen kommentiert, sondern nur von ihm selbst. Es werden keine Zuschreibungen vorgenommen, sondern Ergebnisse gezeigt. Die Entwicklung Saschas scheint der Zuschauer wie in Echtzeit zu erleben. Das macht den Film besonders bedrückend und bisweilen schwer zu ertragen. Genau diese Zeit ist jedoch nötig, um in aller Deutlichkeit zu zeigen, wie es Sascha geht und warum er sich schlecht fühlt.
Es ist diesem Film zu wünschen, dass er viele Kinder, aber auch Erwachsene mit seiner Intention erreicht.