Filmplakat: Xanh

FBW-Pressetext

Duy Em unterhält sich mit ihrem Vater. Er erzählt ihr von einer unschönen Begegnung mit einem Deutschen, der ihn unbedingt wissen lassen wollte, wie man sich „in Deutschland zu verhalten habe“. Duy Em versteht nicht, wieso ihr Vater sich nicht gewehrt hat. Also erzählt ihr Vater ihr noch eine Geschichte. Wie er nach Deutschland kam. In das Land, in dem er schon so viele Jahrzehnte lebt. Und in dem er von manchen noch immer nicht akzeptiert wird. Der Kurzanimationsfilm von Thi Dang An Tran, die an der Filmakademie Baden-Württemberg studiert, erzählt seine Geschichte ganz unaufgeregt und doch nicht minder spannend. Das real aufgezeichnete Gespräch zwischen Vater und Tochter eröffnet auf der Bildebene eine ganze Welt der Erinnerungen. Bunte, strahlende Farben und assoziativ stimmungsvoll zusammengesetzte Bilderwelten, führen die Zuschauenden nach Vietnam, in die Heimat des Vaters, und auf das Geflüchtetenboot, auf dem die Reisenden eine gefährliche Überfahrt in Kauf nehmen, um in einem anderen Land, in dem sie auf ein besseres und sicheres Leben hoffen, neu anzufangen. Doch dort wird ein Anfang nicht gerade leicht gemacht. Auch dafür findet die Filmemacherin die passenden Bilder. Dass die Geschichte von Duy Ems Vater viele Parallelen zu heutigen Fluchtgeschichten aufweist, macht den Film zu einem wichtigen Beitrag in einem hochaktuellen Kontext. XANH – der Titel steht im Vietnamesischen sowohl für die Farbe grün als auch für blau zeigt auf, wie ambivalent und vielschichtig Perspektiven sein können. Und auch wenn ein Verständnis schwer fällt, so ist es doch am wichtigsten, offen zuzuhören. Es ist diese Botschaft, die XANH zu einem ganz außergewöhnlichen Film macht.
Prädikat besonders wertvoll

Filminfos

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Ein zurückhaltendes Gespräch zwischen Tochter und Vater, beim Schneiden von Gemüse. Die Schilderung eines scheinbar belanglosen Zusammenstoßes am Müllplatz wird zum Startpunkt einer Lebensreise. „Warum hast du dich nicht gewehrt?“, will die Tochter wissen. Unaufgeregt, fast unemotional erzählt der Vater,– in einem Sprachmix aus Vietnamesisch und Deutsch und illustriert mit Bildern aus schillernden Farben und traditionellen Mustern, von der Zeit als einer der ‚Boatpeople‘, als minderjähriger Geflüchteter. Sobald es aber um die Ankunft und das neue Leben in Deutschland geht, beherrschen schräge Formen und trübe Farben das Bild.

Ohne Vorwürfe, ohne Larmoyanz widmet sich XANH einer persönlichen Geschichte der Migration, ohne deren Geheimnisse lüften und alles erklären zu müssen. Die formale Stärke der Bild- und insbesondere der Tonebene sorgen für eine dichte Atmosphäre und setzen gezielt einen Kontrapunkt zu den dramatischen Ereignissen, die der Vater von seiner Flucht vor 40 Jahren schildert. Ganz unaufdringlich und deshalb umso nachdrücklicher stellen sich hier Bezüge zur heutigen Situation auf dem Mittelmeer und ganzen Generationen von Boatpeople in aller Welt ein.

Das Fazit dieses klugen und vielschichtigen Films ist dennoch versöhnlich: „Ich habe es geschafft!“, endet der Vater und meint damit nicht nur die Flucht, sondern auch sein Ankommen, das Aufbauen einer Existenz in Deutschland. Und dennoch: Ein Beigeschmack bleibt – der scheinbar belanglose Zusammenstoß am Müllplatz ist eine von Hunderten Situationen von Alltagsrassismen, die sein Leben prägen. Ein Beigeschmack, der hoffentlich das Publikum zum Denken anregt.

Die FBW-Jury vergibt an diesen gleichermaßen künstlerischen wie einfühlsamen Kurzfilm das höchste Prädikat BESONDERS WERTVOLL.