Sturm & Drang

Filmplakat: Sturm & Drang

FBW-Pressetext

Knittlingen, 1789: Cornelia ist es leid, sich als Tochter des Hauses immer nur als Mensch zweiter Klasse zu fühlen. Ihr Vater nimmt sie nicht ernst, erkennt ihre Talente nicht – und überlegt, sie mit einem Mann zu verheiraten, der ihr zuwider ist. Und so beschließt Cornelia, aus den Zwängen ihres Zuhauses auszubrechen. In der nächstgrößeren Stadt will sie einen jungen Mann heiraten – gegen Geld natürlich – um dann mit ihm nach Frankreich zu gehen und ein neues, freies Leben als Revolutionärin zu führen. Doch auf dem Weg dahin begegnen Cornelia einige Widrigkeiten. In Form eines nervenden Bruders, eines ungalanten Galans – und eines Edelmannes, der die gesamte Reisegruppe zu einem Picknick einlädt. Und der eine frappierende Ähnlichkeit mit einem der größten Denker seiner Zeit aufweist. Passender hätten der Regisseur Wouter Wirth und seine Drehbuchautorin Romina Ecker ihren Titel nicht wählen können. Denn nicht nur spürt man in der Figur der Cornelia, die Katharina Stark mit Verve und stolzem Trotz verkörpert, die Aufbruchstimmung, die Ende des 18. Jahrhunderts von Schriftstellern wie Goethe und Schiller als Forderung nach der Befreiung aus Konventionen losgetreten wurde. Auch der Film ist so erzählt, dass er am Anfang bestimmt wird von ruhigen Einstellungen, dunklen Farben und wenig Licht – um dann im letzten Drittel förmlich zu explodieren in einem Rausch aus schnellen Schnitten, einer kongenialen Kameraarbeit, einem großartig in Szene gesetzten Setting, wilden Dialogen und einer fast surreal anmutenden Pointe, die den historisch bekannten Verlauf der geschichtlichen Ereignisse zumindest in Frage stellt. Mit Augenzwinkern und einer guten Portion bissig-trockenem Humor verweisen Wirth und Ecker auf die andauernde Marginalisierung der Frauenrechte, die auch in der Sturm-und-Drang-Phase von den fast ausschließlich männlichen Dichtern und Denkern nicht wirklich aufgehoben oder hinterfragt wurde. Mit ihrer Abschlussarbeit an der HFF München gelingt Wirth und Ecker ein herrlich amüsanter und kluger Film, der eine historische Periode stimmungsvoll und augenzwinkernd einfängt.
Prädikat besonders wertvoll

Filminfos

Gattung:Drama; Komödie; Kurzfilm
Regie:Wouter Wirth
Darsteller:Katharina Stark; Felix Bickele; Michael Schrodt; Joseph Bundschuh; Mia Müller; Yann Mbiene; Eckhard Greiner; Gisela Aderhold; Roberto Martinez; Sascha Maaz
Drehbuch:Romina Ecker
Kamera:Caroline Spreitzenbart
Schnitt:Andreas Schumacher
Musik:Joe Masi
Webseite:schmidbauer-film.com;
Länge:30 Minuten
Produktion: Schmidbauer-Film GmbH & Co.KG, Hochschule für Fernsehen und Film München; BR;
FSK:12
Förderer:BKM; FFF Bayern

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

1789 bedeuteten Freiheitskampf und Emanzipation etwas anderes als im 21. Jahrhundert. Mit dieser Diskrepanz spielen Romina Ecker und Wouter Wirth in ihrem 30 Minuten langen historischen Drama, das in dieser kurzen Zeit erstaunlich viel erzählt und zudem noch überraschend im letzten Akt den Stil und das Filmgenre wechselt. In der sorgfältig konstruierten und inszenierten Exposition lernen wir die junge und idealistische Cornelia kennen, die unter der Fuchtel ihres despotischen Vaters steht und aus der Enge und dem Mief der süddeutschen Provinz fliehen will. Doch bald muss sie feststellen, dass sie als Frau auch unter sich fortschrittlich gebenden Männern nicht viel zu sagen hat. Nachdem sie zusammen mit ihrem jüngeren Bruder nächtens durch das Stadttor abhaut, trifft sie in einem Wäldchen ihren vermeintlichen Retter, mit dem zusammen sie nach Paris reisen und dort Revolutionärin werden will. Aber der junge Preuße will nur an ihre Wäsche und an ihr Geld. Im Wald treffen sie dann einen Herren höheren Standes sowie dessen schwangere Mätresse und seinen Schwarzen Diener. Er lädt sie zu einem Picknick ein, bei dem viel über Freiheit, Revolution und das höfische Leben in Weimar philosophiert wird. Aber erst ein Gespräch mit der Schwangeren öffnet Cornelia die Augen darüber, wie machtlos sie als Frauen in dieser Situation bleiben. In den letzten Minuten wird der Film schließlich zu einer Groteske, bei der viel Blut fließt und ein alternativer Geschichtsentwurf präsentiert wird. Ecker und Wirth bedienen sich hier subversiv und erfindungsreich bei den Konventionen des historischen Dramas, das sie schließlich mit Stilmitteln, die an Quentin Tarantino erinnern; ins Absurde führen. Dabei gelingen ihnen einige beeindruckend geschriebene, gespielte und fotografierte Sequenzen, wie etwa der Abschied Cornelias von ihrer kranken Mutter im Kerzenschein oder das Picknick unter Bäumen mit einem Käse in Großaufnahme. Ecker und Wirth erzählen sehr filmisch und mit viel Witz (der Schwarze ist der Klügste im Bunde und auch der eigentliche “Gewinner“ der Situation). All diese Elemente und inszenatorischen Einfälle bewahren STURM UND DRANG davor, trotz seines eher konzeptionellen Ansatzes eine Kopfgeburt zu bleiben.
Sehr gerne erteilt die FBW-Jury dem Film das höchste Prädikat BESONDERS WERTVOLL.