Schloss aus Glas

Kinostart: 21.09.17
VÖ-Datum: 08.02.18
2017
Filmplakat: Schloss aus Glas

FBW-Pressetext

Als Kind hat Jeannette Walls nie länger als ein paar Wochen am selben Fleck gewohnt. Die Mutter war Künstlerin, der Vater hat nie einen Job lange behalten können, da Spiel- und Alkoholsucht das verhindert haben. Für Jeannette und ihre Geschwister ein Leben ohne Sicherheit. Aber auch ein großes Abenteuer. Denn mit ihrem Vater verband sie ein festes inneres Band. Stundenlang planten Jeannette und ihr Vater gemeinsam irgendwann ein Schloss aus Glas zu bauen. Nun ist Jeannette erwachsen. Sie ist Journalistin, mit einem Finanzanalysten verheiratet und sehnt sich nach Ruhe, Beständigkeit und Ordnung. Ihre Kindheit und Familie scheint sie hinter sich gelassen zu haben. Doch letzten Endes kann sie nicht verhindern, immer ein Teil von ihr zu sein. SCHLOSS AUS GLAS von Destin Daniel Cretton ist die Verfilmung des gleichnamigen autobiografischen Romans von Jeannette Walls. Dass die Geschichte der Frau, die zwischen Liebe zu ihrer Familie und dem Wunsch nach einem anderen Leben hin- und hergerissen ist, so sehr berührt, ist auch dem fantastischen Ensemble zu verdanken. Woody Harrelson erscheint als Idealbesetzung für Jeannettes Vater: Auf der einen Seite ein Held, der gebildet, kreativ und großherzig ist. Auf der anderen Seite ein Abhängiger, dem es aufgrund seiner eigenen psychischen Probleme nicht gelingt, die Rolle als Vater und Versorger der Familie überzeugend auszufüllen. Auch Naomi Watts überzeugt als freigeistige Mutter, die ihr eigenes Bedürfnis nach Unabhängigkeit vor die Bedürfnisse ihrer Familie stellt und es nicht schafft, sich gegen ihren Mann zu stellen, wenn dieser einmal wieder einen Job verliert oder mit dem Gesetz in Konflikt gerät. Der Film zeigt ungeschönt und offen die Ambivalenz der Elternfiguren, ohne sie zu verdammen. Denn schließlich ist der Film aus der Perspektive der Tochter erzählt, die Brie Larson mit einer eindrücklichen Mischung aus anerzogener Härte und hinter der Fassade aufblitzender Verletzlichkeit spielt. Auch der Rest des Ensembles, allen voran die Kinderdarsteller, spielt überzeugend, Ausstattung, Kostüm und Maske sind authentisch und die Kamera bleibt mit ihren starken Bildern immer ganz nah bei den Figuren. Nebenbei gelingt dem Film, durch die unstete Lebensweise der Familie, auch eine realistisch anmutende Milieustudie der amerikanischen unteren Arbeiterschicht. SCHLOSS AUS GLAS ist ein bewegendes und stark gespieltes Drama, an dessen Ende die Versöhnung zwischen Tochter und ihrem Vater steht. Und die Erkenntnis, dass Schlösser aus Glas nicht zwingend gebaut werden müssen. Manchmal reicht es aus, von ihnen zu träumen.

Filminfos

Gattung:Drama; Spielfilm
Regie:Destin Daniel Cretton
Darsteller:Brie Larson; Naomi Watts; Woody Harrelson; Sarah Snook; Max Greenfield
Drehbuch:Destin Daniel Cretton; Andrew Lanham; Marti Noxon
Buchvorlage:Jeannette Walls
Kamera:Brett Pawlak
Schnitt:Nat Sanders
Musik:Joel P. West
Länge:127 Minuten
Kinostart:21.09.2017
VÖ-Datum:08.02.2018
Verleih:Studiocanal
Produktion: Lionsgate, Netter Productions;
BD EAN-Nummer:4006680084619
DVD EAN-Nummer:4006680084602
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Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Jeannette Watts hatte eine Kindheit, von der sich gut erzählen lässt, die aber schwer zu ertragen gewesen sein muss. Ihre Eltern waren Freigeister, die im Land umherzogen, sich künstlerisch verwirklichen wollten und dabei ihre vier Kinder sträflich vernachlässigten. In ihrem Bestseller erzählt Jeanette Watts davon, wie armselig, aber auch abenteuerlich dieses Leben für sie gewesen ist. Und in der Filmadaption von Destin Daniel Cretton gelingt es, den Geist des Buches zu bewahren, auch wenn zwangsläufig vieles aus der Vorlage wegfallen musste, um den Film so konzentriert zu erzählen. In der Rahmenhandlung ist Jeannette eine erfolgreiche Klatschjournalistin, die ihr Leben so streng organisiert hat, dass man schnell merkt, dass sie versucht, dadurch ihrer Vergangenheit zu entkommen. Dabei wirkt ihre Existenz im Wohlstand mit einem gutbezahlten Job in New York, einem teuren Apartment und einem Verlobten aus der feinen Gesellschaft seltsam beengt und blass. Weitgehend chronologisch wird auf der zweiten Ebene des Films von ihrer Kindheit erzählt: davon, dass ihre beide Eltern sie und ihre Geschwister vernachlässigten, dass sie ständig Hunger hatten und nur deshalb nicht völlig verwahrlosten, weil Jeannette als einzige die Kraft hatte, sich gegen ihren Vater zu behaupten. Das Verhältnis der beiden zueinander bildet den Kern der Geschichte und Cretton war so klug, die ambivalente Beziehung der beiden in den Mittelpunkt des Films zu stellen. Dabei gelingt es ihm, zugleich klar und komplex zu erzählen, und dabei den Vater und die Mutter nicht zu Rabeneltern, also Tätern zu machen. Sie haben eine große, anarchistische und dabei sehr amerikanische Vision vom freien Leben, zu der es nicht gehört, die eigenen Kinder verantwortungsvoll groß zu ziehen. Woody Harrrelson und Naomi Watts spielen sie dann auch als „Monster voller Unschuld“, die ihren Kindern permanent schaden, sie aber offensichtlich auch lieben. Und Cretton gelingt es, diese Ambivalenz deutlich zu machen, sodass man zugleich abgestoßen und fasziniert von diesen Charakteren ist. Die drei Darstellerinnen von Jeannette Watts als Kind, Jugendliche und junge Frau können sich gegen das charismatische Spiel von Harrelson behaupten, und dies ist vielleicht die größte Leistung des Films. So bleibt Jeannette immer die Heldin ihrer Geschichte, und ihre Befreiung dadurch, dass sie sich mit ihrem Vater versöhnt und dann nicht mehr ihr Leben als einen Gegenentwurf zu dessen chaotischer Existenz durchstehen muss, ist eine bewegende Auflösung der Geschichte. Gelobt wurde auch die Kameraarbeit, durch die eine ganz eigene Atmosphäre und große Nähe zu den Charakteren entsteht.