Roxy

Kinostart: 25.01.24
2023
Filmplakat: Roxy

FBW-Pressetext

Ein Taxifahrer, der die Ordnung liebt, wird zum unfreiwilligen Helfer russischer Gangster. Eine ungewöhnliche Thriller-Komödie, die dank Devid Striesow zum wahnwitzig unterhaltsamen Kinospaß wird.

Thomas ist Taxifahrer und liebt die Ordnung. Er möchte nicht, dass Dinge unkontrolliert ablaufen, auch Aufregung oder Abwechslung in jeder Form sind ihm fremd. Als jedoch eines Tages russische Gangster in sein Taxi einsteigen, einen angriffslustigen Riesenköter namens Roxy und dazu jede Menge Gangsterprobleme im Gepäck, ändert sich Thomas’ Leben schlagartig. Denn Levan, dem Chef, gefällt Thomas‘ Art. Er hätte ihn gerne um sich. Um Dinge zu erledigen, Dinge abzuholen, Dinge in Ordnung zu bringen. Kein Problem. Das ist schließlich Thomas‘ Spezialität.

Die Geschichte, die Dito Tsintsadze in seinem neuen Film erzählt, ist bestimmt nicht neu. Doch wie er sie erzählt, ist ein großes schwarzhumoriges Vergnügen, das sich vor allem auch aufgrund der Besetzung vermittelt. Vakho Chachanidze als Gangsterboss, der viel Dreck am Stecken hat und gleichzeitig seine Familie beschützen will, spielt immer genau richtig am eindeutigen Klischee vorbei, dazu lässt sich Tsintsadze für die Nebenfiguren wiederholt lustige Brüche einfallen: der Adjutant des Chefs, der nur Milch trinkt, oder der Handlanger, der sich um den Hund kümmern soll und als einziger vom Hund gehasst wird. Doch am Ende ist ROXY ein Film, der durch Devid Striesow erst so richtig erstrahlt. Wie Striesow die Wandlung des Thomas Brenner darstellt, ist eine große Schau. Zunächst ist da dieses scheue Flackern in den Augen, das Vermeiden des direkten Augenkontaktes, das Unangenehm-Berührtsein, wenn er angesprochen wird. Doch Striesow kann auch anders. Und das beweist er gerade im letzten Drittel des Films, wenn er das Unterste zuoberst kehrt und allen beweist, wer der Chef im Ring ist. Striesows Darstellung, der Mut zu ungewöhnlichen Figuren, einer nicht klassischen Dramaturgie, einem stimmigen Soundtrack und jeder Menge Plottwists machen aus der ungewöhnlichen Thriller-Komödie einen Kinospaß, der zeigt, dass der deutsche Film eben auch anders kann.

Filminfos

Gattung:Thriller; Komödie; Spielfilm
Regie:Dito Tsintsadze
Darsteller:Devid Striesow; Vakho Chachanidze; Camila Borghesani; Ivan Shvedoff; Sandro Kekelidze; und Thorsten Merten
Drehbuch:Dito Tsintsadze
Kamera:Notker Mahr
Schnitt:Matthieu Jamet
Webseite:eastendfilm.de;
Weblinks:kinofans.com;
Länge:100 Minuten
Kinostart:25.01.2024
Verleih:Across Nations
Produktion: East End Film GmbH Tommy Niessner, Pygmalion Film Production; Umedia;
FSK:16
Förderer:MFG Baden-Württemberg; DFFF

Jury-Begründung

Prädikat wertvoll

Im neuen Film von Autor und Regisseur Dito Tsintsadze gibt es einen klaren Star. Es ist nicht der titelgebende Kampfhund Roxy oder der osteuropäische Mobster Levan, dem die vierbeinige Muskelmasse gehört. Es ist der unscheinbare Taxifahrer Thomas, grandios doppelbödig gespielt von Devid Striesow, dessen Leben irgendwie in der Endlosschleife Bahnhof–Fahrziel–Bahnhof gefangen ist. Durch die Ankunft der drei freundlichen, aber offensichtlich gewaltbereiten Fahrgästen plus Hund gerät Thomas in eine unaufhaltsame Lawine von Ereignissen, die ihn droht zu überrollen. Und doch wird der unwahrscheinliche Held am Ende die Oberhand behalten.

ROXY nimmt sich Zeit für die Schrulligkeiten seiner Figuren. Auch die Gangster werden so tapsig und unbeholfen gezeichnet, wie man es selten sieht in einem Arthouse-Thriller über organisierte Kriminalität. Aber wer hier eigentlich gegen wen organisiert, bleibt unklar und spielt für Tsintsadze auch keine Rolle. Vielmehr geht es um den Beobachter Thomas, der langsam selbst zum Täter wird. Erst durch kleine Jobs und Vermittlungstätigkeiten wird er final zum Strippenzieher und befreit sich aus seiner inneren Lähmung. Obwohl es ein Weg auf die dunkle Seite der Macht ist, bleiben die moralischen Kategorien gewahrt. Fast wie eine märchenhafte Figur, ein naiver Hans im Glück, stolpert Thomas in einen wahren Abgrund und schafft es am Ende, nicht nur sich selbst, sondern auch die beiden einzigen unschuldigen Figuren, Levans Ehefrau und Sohn, zu retten. Und auf dem Weg dahin gibt es für das Publikum viel zu schmunzeln.

Die Kinobilder sind zur Geschichte passend herbstlich, vieles spielt nachts oder in schummerig beleuchteten Innenräumen, allesamt im Einrichtungs-Charme von Airbnbs und Strip-Clubs. Maske und Kostüm sind ebenfalls märchenhaft überhöht und unterstreichen das Skurrile, unbeholfene Streben nach Macht. Dies gipfelt zum Beispiel in der Off-Theatergruppe, in der Thorsten Merten als Camp-Ophelia in der Probenpause gefälschte Pässe vertickt. Dass all diese grotesken Figuren und Schnipsel zusammen halten, liegt auch an der schrägen Musikauswahl, die nach Lust und Laune zitiert und gegen den Strich bürstet.

Leider besteht der sonst angenehm gegen Stereotype arbeitende Film nicht den Bechdel-Test. Für seine Frauen-Figuren hat der Autor und Regisseur nicht viel Interesse, sie dienen vor allem ihrer Funktion und stehen damit im krassen Gegensatz zu den präzise geschilderten Männer-Figuren. Das Stilmittel des Voice-Over, in dem Thomas uns seine Geschichte erzählt, wogegen er ‚on camera‘ so gut wie nie über Drei-Wort-Sätze hinaus kommt, trägt ab der zweiten Hälfte dazu bei, dass sich die Geschichte in die Länge zieht und der Schwung der Szenen dadurch ein wenig verloren geht. Am Ende ist in dieser Thriller-Komödie von beiden Genres nach Ansicht der Jury zu wenig enthalten: die zugegeben wirklich schwierige Balance von Humor und Spannung kann ROXY leider nicht bis zum Schluss aufrechterhalten.

Unter Abwägung aller Argumente verleiht die FBW-Jury diesem Film, der dem deutschen Arthouse-Kino eine wichtige Erzählfarbe hinzufügt, gerne das Prädikat WERTVOLL.