Leere Netze

Kinostart: 18.01.24
2023
Filmplakat: Leere Netze

FBW-Pressetext

Das deutsch-iranische Langfilmdebüt von Behrooz Karamizade erzählt mit feinem Gespür für Menschen und dem inneren Zwiespalt, in dem sie gefangen sind, von einem jungen Mann, der für seine große Liebe bereit ist, die Grenzen zur Kriminalität zu überschreiten.

Amir und Narges lieben sich und wollen heiraten. Doch Amir besitzt nur wenig und Narges ist die Tochter eines gut situierten Konditors. Noch dazu ist der Brautpreis, den die iranische Tradition vom Bräutigam fordert, sehr hoch. Als Amir seinen Job verliert, scheint eine Zukunft mit Narges in weite Ferne gerückt. Doch Amir gibt nicht auf und heuert bei einem Fischer an, der jedoch mit kriminellen Methoden arbeitet und illegal Kaviar wildert. Und je mehr Amir in diese Machenschaften verwickelt wird, desto mehr entfernt er sich von Narges und der Hoffnung auf eine gemeinsame Zukunft.

Das Langfilmdebüt des Filmemachers Behrooz Karamizade erzählt die Geschichte eines jungen Mannes, der zwischen den Ansprüchen, die er und andere an ihn stellen, wie in einem Mühlstein aufgerieben wird. Das Drehbuch bleibt, genau wie die großartige Kamera von Ashkan Ashkani, ganz nah bei Amir, den Hamid Reza Abbasi mit großer Intensität spielt. Man spürt in jeder Minute, wie existenziell Amirs Antrieb ist, wie stark seine Liebe zu Narges (eine kongeniale Spielpartnerin: Sadaf Asgari), wie sehr er sich selbst permanent unter Druck setzt, und sich jedem gegenüber verpflichtet fühlt, immer das Richtige zu tun. Karamizade, der auch das Drehbuch verfasste, erzählt streng chronologisch und straight, es gibt keine Rückblenden, keine Nebenhandlung. Genau diese Konzentration lässt den Film eine unglaubliche Ruhe und Kraft ausstrahlen. Dazu vermittelt der Film durch seine exzellent ausgesuchten Settings ein authentisches Bild des Lebens einer jungen Generation im Iran, wo langverwurzelte Traditionen auf den Wunsch nach einem freien, modernen Leben treffen. Auch das Spannungsfeld der weitverbreiteten Korruption und Kriminalität, das dazu führt, dass sich Einzelne die Taschen füllen, während Andere ausgenutzt werden und ihre Köpfe hinhalten, beleuchtet LEERE NETZE ohne einen moralisch erhobenen Zeigefinger. Karamizade zeigt mit atmosphärischen Bildern, starken und gleichzeitig reduzierten Dialogen und dem genauen Blick für zwischenmenschliche und gesellschaftliche Konflikte, wie kraftvoll und beeindruckend ein Debütfilm erzählen kann.

Filminfos

Gattung:Drama; Spielfilm
Regie:Behrooz Karamizade
Darsteller:Hamid Reza Abbasi; Sadaf Asgari; Keyvan Mohamadi; Pantea Panahiha; Ali Bagheri
Drehbuch:Behrooz Karamizade
Kamera:Ashkan Ashkani
Schnitt:Anne Jünemann
Musik:John Gürtler; Jan Miserre; Saba Alizadeh
Webseite:port-prince.de;
Weblinks:kinofans.com;
Länge:102 Minuten
Kinostart:18.01.2024
Verleih:Port au Prince Pictures
Produktion: BASIS BERLIN Filmproduktion, Living Pictures Production; Rainy Pictures;
FSK:12
Förderer:BKM; DFFF; KJDF; HessenFilm und Medien

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Im Iran am Kaspischen Meer spielt sich diese Liebesgeschichte ab, die vom bewährten Erzählmuster junger Liebender, die wegen ihrer familiären Herkunft nicht zusammenkommen können, Gebrauch macht. Man fühlt sich an „Romeo und Julia“, aber auch an „Aschenputtel“ erinnert. Letztlich ist es eher die zweite Variante. Denn der in bescheidenen bis armen Verhältnissen lebende Amir will um die Hand der aus wohlhabendem Hause kommenden Narges anhalten. Es ist der soziale Riss durch die Gesellschaft, der das Schicksal der Liebenden bestimmt.

In seinem Spielfilmdebüt greift Behrooz Karamizade dabei durchaus auf märchenhafte Elemente zurück, auch wenn ein sozialrealistischer Stil dominiert. Doch diese Reibung macht gerade die Qualität dieses exzellent geschriebenen und überzeugend inszenierten Films aus, der auch politisches Drama ist. Amir versucht alles, um es seiner Geliebten recht zu machen und merkt dabei nicht, dass er sie gerade dadurch verlieren wird, weil sie die Achtung vor ihm verliert.

Erzählt wird wohltuend unaufgeregt, obwohl die Dramatik der Handlung stetig zunimmt. Wie Amir Schritt um Schritt auf die schiefe Bahn gerät, ist spannungsgeladen und schmerzlich. Denn alles auch noch so verwerfliche, was er bei den Fischern, denen er sich zum Geld verdienen anschließt, tut er aus Überzeugung. Was er sehnlichst will, ist die Hand seiner Freundin zu gewinnen. Hamid Reza Abbasi spielt diese Entwicklung eines jugendlich Liebenden zu einem Mann, der erleben wird, was niemandem zu wünschen ist und dabei um Jahre altert, mit enormer Intensität. Das Geschehen ist sehr glaubwürdig und das Milieu der Fischer, in das Amir gerät, mit einer beweglichen Kamera authentisch und mit düsteren Bildern eingefangen.

Der Fokus auf Amir bringt es mit sich, dass die Charakterisierung von Narges etwas zu kurz kommt. Wir sehen nie, wie sie sich ihren Eltern widersetzt, sie beteuert Amir lediglich, alles für ihre Liebe zu geben, doch sobald sie herausfindet, dass er in kriminelle Machenschaften verstrickt ist, wendet sie sich sofort von ihm ab. Das macht sie in den Augen der Jury ein wenig unsympathisch, denn sie bietet ihm ja keine Alternative an, als sie auf offiziellem Wege durch das Brautgeld heiraten zu können. Andererseits könnte es auch sein, dass der Film deutlich zum Ausdruck bringen will, wie sich eine toxische Männlichkeit aus einem Regime heraus entwickelt, welches die Wünsche der Frauen in keiner Weise respektiert. Und genau das macht auch Amir letztlich, auch wenn er auf beiden Augen blind vor Liebe scheint.

Wie gekonnt und zugleich einfach erzählt und das Verhältnis der beiden Liebenden in Bilder gefasst wird, beweist der Anfang des Films. Amir schwimmt bei strahlendem Sonnenschein im Meer und will herausfinden, wie lange er tauchen kann. Narges soll die Sekunden zählen. Zu lange bleibt er unter Wasser und Narges bekommt Angst um ihn. Im Grunde ist damit auf geniale Weise der ganze Film fast schon vorweggenommen. ,Ein Film, dem die Jury einstimmig das höchste Prädikat BESONDERS WERTVOLL verleiht.