Kinder der Schlafviertel

FBW-Pressetext

Es gibt sie noch die wahren Romantiker: es sind jugendliche Punks in den Moskauer Plattenbausiedlungen, die ihren suburbanen Traum von Renitenz gegen die Tradition und das System, vom Saufen und vom Musikmachen leben. Mit guter Kameraarbeit und intelligenter, dramaturgischer Erzählweise finden die beiden Regisseurinnen eine beeindruckende Nähe zu den Jugendlichen, ohne aufdringlich oder wertend zu sein. Ein lebendiges Portrait, das sowohl einen gesellschaftlichen Zustand wie auch eine Geisteshaltung überzeugend.
Prädikat besonders wertvoll

Filminfos

Gattung:Dokumentarfilm; Kurzfilm
Regie:J. J. Wonders; Korinna Krauss
Drehbuch:J. J. Wonders; Korinna Krauss
Länge:34 Minuten
Verleih:HFF München
Produktion: Hochschule für Fernsehen und Film München, Wonders Filmproduktion
FSK:12

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Die Punks aus den Moskauer Vorstädten entpuppen sich hier als die letzten Romantiker, wenn sie mit ihrer Musik gegen die Tristesse des postsowjetischen Lebens anspielen.

Die beiden deutschen Dokumentarfilmerinnen kommen ihnen dabei erstaunlich nah, und so entsteht ein sehr lebendiges Portrait dieser jungen Menschen, das trotz der hässlichen Plattenbauten und Perspektivlosigkeit teilweise erstaunlich optimistisch wirkt.

Man spürt den Lebenswillen der Protagonisten, ihren rebellischen Geist und künstlerischen Ehrgeiz. Ständig müssen sie sich und ihren Lebensstil gegen die Erwachsenen verteidigen, und bei diesen Auseinandersetzungen wird auch klar, wieweit die sowjetischen Normen noch das Denken der älteren Russen beherrschen. Einer fragt nach dem „Programm“ der Jugendkultur, ein anderer vermisst die Disziplin der „Jungpioniere“, die den Punks fehlen würde.

Die Kamera zeigt die drei aus vielen verschiedenen Blickwinkeln, und der Film ist auch dramaturgisch geschickt gebaut. Es gibt immer neue, überraschende Einblicke, und so bekommt man zum Beispiel auch einen Eindruck davon, wie stark trotz aller Konflikte der Familienzusammenhalt ist.

Die Geschichte vom russischen Nazi, der zum Freund wurde und sich langsam auch in einen Punk verwandelt, wird schön beiläufig serviert.

Auch sonst überzeugt die Souveränität, mit der hier durchweg stimmige Bilder gefunden und montiert wurden, mit denen sowohl ein gesellschaftlicher Zustand wie auch eine Geisteshaltung überzeugend illustriert werden.