For the Time Being

Kinostart: 18.04.24
2023
Filmplakat: For the Time Being

FBW-Pressetext

Eine Ehefrau und Mutter nimmt den Kampf gegen die Windmühlen der US-Justiz auf, um für ihren seit 13 Jahren unschuldig inhaftierten Ehemann eine Haftentlassung zu erwirken. Die Langzeitdokumentation FOR THE TIME BEING beeindruckt durch seine große erzählerische Ruhe und die lebensbejahende Protagonistin Michelle Bastien-Archer.

Michelle und Jermaine lieben sich sehr. Sie sind seit 13 Jahren verheiratet, ihre beiden Kinder aus einer vorherigen Beziehung betrachten Jermaine als Vater, alle zusammen fühlen sich als glückliche Familie. Doch es gibt ein Problem. Jermaine kann nicht bei seiner Familie sein. Denn er sitzt im Gefängnis. Seit 13 Jahren. Für ein Verbrechen, das er nicht begangen hat. Und so kämpft Michelle. Sie kämpft für Jermaines Bewährungsverfahren, für Gerechtigkeit, für die Anerkennung der Rechte von Schwarzen. Und sie kämpft für ihr eigenes kleines Glück – für ihre Familie.

Die Filmemacherin Nele Dehnenkamp begleitet in ihrem Langfilmdebüt Michelle Bastien-Archer über viele Jahre und zeigt dabei auf eindrucksvolle Weise, wie komplex – und damit auch oft ungerecht - das Justizsystem der USA sein kann, Der Film zeigt auf, wo das System versagt und macht gleichzeitig deutlich, wie wichtig genau dann die Menschen sind, die sich gegen dieses Versagen mit all ihrer Stärke wehren. Michelle, die als Co-Regisseurin fungiert, beeindruckt durch ihre positiv-anpackende Art und die Liebe zu ihrer Familie, die sich im Film wie ein stimmungsvoller roter Faden vermittelt und den Film mit Wärme füllt. Dass FOR THE TIME BEING unter anderem mit „Black Lives Matter“ auch viele relevante Themen anspricht, macht den Film zu einem wichtigen Beitrag aktueller gesellschaftlicher Diskussionen. Als Langzeitbeobachtung lässt sich der Film die Ruhe, die es braucht, um auch ein Gefühl von Zeit zu vermitteln, die verstreicht, während Michelle und Jermaine darauf warten, endlich mit den Kindern zusammen als Familie leben zu können. FOR THE TIME BEING ist ein Dokumentarfilm, der zwischen objektiver, unkommentierender Beobachtung und empathischer Begleitung genau das richtige Mittel findet.

Filminfos

Gattung:Dokumentarfilm
Regie:Nele Dehnenkamp
Darsteller:Michelle Bastien-Archer; Jermaine Archer
Drehbuch:Nele Dehnenkamp
Kamera:Nele Dehnenkamp
Schnitt:Nele Dehnenkamp
Musik:Martin Kohlstedt
Weblinks:kinofans.com;
Länge:90 Minuten
Kinostart:18.04.2024
Verleih:Across Nations
Produktion: Filmakademie Baden-Württemberg GmbH
FSK:0
Förderer:Filmakademie Baden-Württemberg

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

In FOR THE TIME BEING der Dokumentarfilmerin Nele Dehnenkamp geht es um Dauer, um Zeit – genauer um die Zwischenzeit: das Leben im Vorläufigen und Unvollendeten. Seit vielen Jahren versucht die Amerikanerin Michelle, die Unschuld ihres inhaftierten Mannes Jermaine zu beweisen. Wegen vorsätzlicher Tötung wurde er 1998 zu 22 Jahren bis lebenslänglich verurteilt. Inzwischen sind neue Dokumente aufgetaucht, die Michelles Bemühungen um die Freilassung ihres Mannes befeuern und ihr neue Hoffnung geben. Die Möglichkeit einer Aussetzung der Strafe auf Bewährung steht an. Wir erleben mit ihr mehrere Jahre des bangen Wartens, der Suche und der Entbehrung, bis sich schließlich die Tore des Gefängnisses öffnen.
In FOR THE TIME BEING hat die Filmemacherin Nele Dehnenkamp zusammen mit ihrer Protagonistin über mehrere Jahre als Langzeitbeobachtung gedreht. Vom ersten Bild an fällt die im stark beengten Bildformat 4:3 umgesetzte, sehr ästhetische Bildgestaltung auf. Eine oft sommerliche Farbpallette und eine gelungene Kadrierung wirken manchmal geradezu kontrapunktisch idyllisch zum eigentlichen Geschehen. Diaeffekte in der Montage und Polaroids als wiederkehrende Zäsuren werden genutzt, um die vergehende Zeit zu vermitteln.
FOR THE TIME BEING ist ein Film über das Warten und die Hoffnung. Es ist ein lebensbejahender Film angesichts einer ungerechten Welt. Was ein dokumentarischer Thriller über einen unermüdlichen Kampf gegen das US-amerikanische Justizsystem sein könnte, legt sein Interesse deutlich auf die geduldige Protagonistin, beobachtet ihren Alltag und zeigt, was es bedeutet, jahrelang auf seinen Partner warten zu müssen.
Die Jury empfand den Film teilweise als bewegend – aber andererseits auch als herausfordernd und etwas langatmig. Die einen betonten, die Längen begründeten sich durch die Thematik, welche einen langen Atem bräuchte. Andere dagegen betrachteten ihn als zu lang, er plätschere dahin. In jedem Fall fordere der Film das Durchhaltevermögen des Publikums. Man muss ihn ebenso ‚durchstehen‘ wie die Protagonistin ihr Warten.
Zweifellos behandelt der Film ein wichtiges Thema. Konsens in der Jury war der Respekt vor der Langzeitbeobachtung, die als Basis für den Film diente. Zudem werden hier unbekannte Aspekte des US-Justizsystems aufgedeckt. Und wir erleben noch einmal die US-amerikanische Sicht auf die Zeit der Pandemie und den Beginn der Black Lives Matter-Bewegung.
Kritisch wurden von der Jury die vielen Ellipsen im Umgang mit der Hintergrundgeschichte gesehen, von der man wenig erfährt. Die Figuren haben ein Geheimnis, doch was erzählt der Film von diesen Figuren? Selten vermittelt er ein Verständnis – was hält das Paar zusammen? Allenfalls die Telefonate liefern Hinweise. Zeitabschnitte lassen sich nur erahnen.
Ausdrücklich gelobt wurde die sorgfältige Bildgestaltung und der subtile und minimalistische Soundtrack. Angesichts seiner soziologischen Motivation leuchtet ein, dass es hier um die Beziehung, nicht um die Schuldfrage geht. Dabei erscheint die Inszenierung nie aktivistisch aufgeregt, sondern bleibt offen, um weitere Fragen aufzuwerfen.
Die Jury hat den Film lange diskutiert und erteilt ihm in Abwägung aller Argumente und in Hervorhebung der erzählerischen und inszenatorischen Qualitäten gerne das Prädikat BESONDERS WERTVOLL.