Der Stellvertreter

Kinostart: 30.05.02
2002
Filmplakat: Der Stellvertreter

FBW-Pressetext

Verfilmung des Theaterstücks (1963) von Rolf Hochhuth. Opulente Inszenierung mit geschliffenen Dialogen und hervorragenden Darstellern.
Prädikat wertvoll

Filminfos

Gattung:Drama
Regie:Constantin Costa-Gavras
Darsteller:Ulrich Tukur; Mathieu Kassovitz; Ulrich Mühe
Drehbuch:Constantin Costa-Gavras; Jean-Claude Grumberg (n.d.Theaterstück v.Rolf Hochhuth)
Länge:131 Minuten
Kinostart:30.05.2002
Verleih:Concorde
Produktion: Katharina / Renn Productions S.A., TF1 Films Production; Canal Plus Productions; KC Medien AG;
FSK:12

Jury-Begründung

Prädikat wertvoll

Sicherlich verliert das Thema der schuldhaften Verstrickung in die Vernichtung von Juden während des Zweiten Weltkrieges bis heute nichts von seiner Brisanz und Aktualität. Constantin Costa-Gavras verbindet in „Der Stellvertreter“ eine politische Anklage mit der trauervollen Verteidigung eines Gerechten. Dabei klagt er die moralische Verantwortung von Institutionen ein, er verweist auf Mittäter und Mitwisser, vor allem auch auf die Rolle des Papstes. Zwei “Gerechte” widersetzen sich einem verbrecherischen Regime. Ihr Handeln basiert auf einer tiefen moralischen und ethischen Überzeugung. Ricardo (Mathieu Kassowitz) löst sich aus seiner Loyalität gegenüber der Kirche, Kurt Gerstein (Ulrich Tukur) wird zum Widerstandskämpfer in SS-Uniform. Beide Männer scheitern am Versagen der Mächtigen. Bis in die höchsten Ebenen des Vatikans, bis zum Papst, übermitteln sie Informationen über den Massenmord in den Konzentrationslagern. Ihre Hoffnung wird enttäuscht – der Papst ergreift ebenso wenig Initiative wie die ausländischen Diplomaten.

Die Darsteller fungieren in diesem Film als Spielfiguren im Rahmen einer moralisch verwerflichen Machtkonstellation. Die Selbstgerechtigkeit der Gegenspieler wird mit anklagendem Zeigefinger vorgeführt. Sie agieren als Stichwortgeber, denn die Motive für ihre Tatenlosigkeit werden nicht klar erkennbar. Hier verharrt der Film in der Anklage. Wie in einer Verteidigungsrede setzt Costa-Gavras den Akzent auf die vergeblichen Anstrengungen Gersteins, den Lauf der Ereignisse zu ändern.

Mit melodramatischem Gestus begleitet der Film Gerstein bei seinen geheimen Aktionen. Sie werden chronologisch erzählt, zu symbolhaften Kontrasten verdichtet (z.B. Berichte von der Vergasung der Juden während des Essens, das Fahren der Güterwaggons) und erscheinen doch – vor allem durch die filmische Gestaltung – austauschbar. Filmisch opulent – aber auch klischeehaft – wirken die Bilder der Vertreibung im Regen. Die Aufnahmen in den Konzentrationslagern kompilieren und pointieren bekannte Bilder. Blicke durch Fenster und Autoscheiben erzeugen eine Distanz zum Geschehen. Die vielen Standardsituationen werden durch den Einsatz von Musik mit eleganter Glätte versehen. Die geschliffen formulierten Dialoge befinden sich auf einem hohen rhetorischen Niveau, überfrachten jedoch den Film teilweise mit ihren detaillierten Informationen.

Diese stilisierte Gestaltung einer empörten Haltung verhindert einen emotionalen Einstieg in die Geschichte. So gerät der Film zu einer groß angelegten Verteidigung von legitimem Verrat, der seine Spannung aus dem außerordentlich intensiven und vielschichtigen Spiel aller Darsteller bezieht.