Filmplakat: Brainfuck

FBW-Pressetext

Otto und Hannah sind verliebt. Und sie wollen miteinander schlafen. Für beide ist es das erste Mal. Doch während Hannah ganz souverän mit der Situation umgeht, versucht Otto seine Nervosität zu verstecken, prahlt mit seiner baldigen Entjungferung und verrät damit die intime Absprache mit Hannah an seine Kumpels. Als es dann soweit ist, versagen Ottos Nerven. Doch leider nicht nur die. Am nächsten Morgen glaubt Otto, er wäre das Gespött von allen. Bestimmt hat Hannah über ihn gelästert, bestimmt wissen alle Bescheid, was für ein Versager er ist. Und da ja bekanntlich Angriff die beste Methode ist, wird Otto schon dafür sorgen, dass keiner mehr über ihn lacht. Aber ist das wirklich der richtige Weg? Mit seinem Kurzspielfilm BRAINFUCK greift der Filmemacher Leonard Rottok, der an der Filmakademie Baden-Württemberg studiert, ein zeitloses Thema für die heranwachsende Generation auf: den erdrückenden Druck, der auf Jugendlichen vor ihrer ersten sexuellen Begegnung lastet. Dass die Figuren so authentisch wirken, liegt auch an dem hervorragenden Cast. Vor allem Gustav Strunz als Otto überzeugt durch sein natürliches Spiel eines unsicheren jungen Mannes, der vor lauter Versagensangst genau das Falsche macht. In seinem Drehbuch (co-verfasst mit Tobit Kochanek) verzichtet Rottok auf die ganz großen Plottwists, erzählt unaufgeregt, dafür aber mit höchster Effizienz, wobei die Konzentration auf den Handlungsraum Bus besonders stark ist. BRAINFUCK ist ein Kurzspiefilm, der ohne moralischen, erhobenen Zeigefinger viele Zuschauende aus der jungen Zielgruppe erreicht. Weil er denen Mut macht, die in einem ähnlichen Dilemma stecken.
Prädikat besonders wertvoll

Filminfos

Gattung:Tragikomödie; Kurzfilm
Regie:Leonard Rottok
Darsteller:Gustav Strunz; Marie Rosie; Markus Schleinzer; Florian Geißelmann; Ayleen Tunçer; Luzian Gupta
Drehbuch:Tobit Kochanek; Leonard Rottok
Kamera:Max Rauer
Schnitt:Revan Sarikaya
Musik:Domenico Melchiorre
Länge:17 Minuten
Produktion: Filmakademie Baden-Württemberg GmbH, Third Picture Filmproduktion;
Förderer:Filmakademie Baden-Württemberg

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

‚Ein netter, kleiner Film‘, ist man versucht zu sagen. Aber damit würde man BRAINFUCK von Regisseur und Drehbuchautor Leonard Rottok sehr unrecht tun.

Der Kurzfilm erzählt die Geschichte von Otto und Hannah, die das erste Mal miteinander schlafen wollen. Oder müssen? Das Thema ist zeitlos und relevant, insbesondere bei einer jungen Zielgruppe, für die der Film offensichtlich gemacht ist.

Und hier beginnt die Raffinesse des Kurzfilms: Als Haupthandlungsort, bis auf zwei Szenen, ist ein absoluter Nicht-Ort, eine tägliche Transferzone von Schüler:innen gewählt – der Schulbus. Die Geschichte überzeugt mit der Detailbeobachtung dieses Mikrokosmos, wie Hannahs Freundin neben ihr sitzt und dann wortlos den Platz frei macht, sobald Otto einsteigt. Die Blicke, wenn man durch den engen Gang zwischen den Sitzen läuft. Und das Getuschel, wenn man sich offen küsst.

Das Ganze ist sehr unmittelbar, fast naiv gefilmt und mit einigen visuellen Ideen unterschnitten. Die beiden Hauptfiguren und insbesondere Otto sind so sympathisch normale Typen, dass man beinahe übersehen könnte, wie präzise sie die innere Zerrissenheit spielen. Und dann erhält Otto Hilfe von unerwarteter Seite, aber nicht, indem ihm Altersweisheiten präsentiert werden. In der Liebe hat eben niemand einen Plan.

Ottos Erkenntnisbogen mündet darin einzugestehen, dass er einen Fehler gemacht und dadurch Hauptverursacher der Steigerung des eh schon hohen Peer-Druckes ist. Er entscheidet sich für die „Privatisierung“ seiner Gefühle und setzt damit ein gelungenes Beispiel für eine diverse Männerfigur, die dringend benötigt ist in einer digitalen Realität, in der das Durchschnittsalter bei Jungs für den ersten Porno bei 10-12 Jahren liegt. Erfrischend ist auch, dass Hannah die ist, die ursprünglich den ersten Sex anspricht und die notwendigen Vorkehrungen trifft. Auch hier merkt man das grundliegende Interesse und die genaue Beobachtung für Jugendliche heute. Diese sehr publikumsaffine, aber nie bevormundende Grundhaltung sollte BRAINFUCK für Kinder und Jugendliche ab 12 Jahren zu einem guten Gesprächsanlass über Grundsatzthemen wie Sex, Consent und das Recht auf Privatangelegenheiten machen.

Die FBW-Jury vergibt nach ausgiebiger Diskussion und Abwägung aller Argumente das Prädikat „besonders wertvoll“.