15 Jahre

Filmplakat: 15 Jahre

FBW-Pressetext

In der Fortsetzung von Chris Kraus‘ VIER MINUTEN brilliert Hannah Herzsprung erneut in der starken Rol.e als Frau zwischen Resignation und Wut, die nach einer langen Haftstrafe ihr Leben neu beginnen muss. Bewegend, kraftvoll, virtuos.

„Vergebung bedeutet, jede Hoffnung auf eine bessere Vergangenheit aufzugeben“, zitiert 15 JAHRE den buddhistischen Lehrer Jack Kornfield und taucht damit ohne Umschweife in den fortwährenden inneren Konflikt der Hochbegabten Jenny ein. Hin und hergerissen zwischen dem Drang nach Bewältigung und dem Wunsch endlich loszulassen sucht sie den Weg in ein neues Leben nach Jahren im Gefängnis – und nach dem schlimmen Verrat, der ihr widerfahren ist. Einen Lichtblick gewährt die Fügung des Schicksals, als Jenny als Putzkraft in einem Konservatorium tätig wird. Es dauert nicht lange, bis die musikalische Begabung wieder ans Tageslicht tritt. Doch auch dieser Schritt birgt seine Schattenseiten und gipfelt schließlich in einer Spirale von Liebe und Hass.

15 JAHRE schafft den Spagat zwischen lebensbejahendem Optimismus, abgrundtiefer Rache und skurriler Castingshow, zwischen einem „Zeichen Gottes und chronischem Zufall“, wie es an einer Stelle im Film so schön heißt. Denn so spielt das Leben, unvorhersehbar und bisweilen einfach unglaublich. In all dem bewegen sich Hannah Herzsprung, Hassan Akkouch und Albrecht Schuch mit allergrößter Feinfühligkeit für ihre Rollen. So gelingt es Herzsprung in ihren Blicken und entgleitenden Gesichtszügen wieder und wieder der ihr wiederfahrenden manchmal absurden Ereignisse die gebührende Schwere beizumessen, die die erzählte Geschichte einfach echt erscheinen lässt. Hassan Akkouch wird in seiner Rolle zum musikalischen Partner von Herzsprung am Klavier und spiegelt mit seiner Stimme fast schon stellvertretend das größere Leid des Lebens aber auch die Resilienz dagegen wider. Derweil überzeugt Albrecht Schuch durch seine reumütige Verletzlichkeit, die sich hinter einer jahrelang aufgebauten Fassade erst Stück für Stück entblättern muss. All das drückt sich schließlich in perfekter Symbiose über die musikalische Ebene des Films aus und lässt den Zuschauer in ein wahres Wechselbad der Gefühle eintauchen, in dem Gut und Böse nicht mehr greifbar erscheinen. So wird 15 JAHRE zu einem aufregend dramatischen filmischen Konzert über Höhen und Tiefen des Lebens und Weiterlebens.

Filminfos

Gattung:Drama; Spielfilm
Regie:Chris Kraus
Darsteller:Hannah Herzsprung; Hassan Akkouch; Christian Friedel; Albrecht Schuch; Adele Neuhauser; Mariam Hage; Samuel Koch; Stefanie Reinsperger; Sar Adina Scheer
Drehbuch:Chris Kraus
Kamera:Daniela Knapp
Schnitt:Uta Schmidt
Musik:Annette Focks
Weblinks:kinofans.com;
Länge:144 Minuten
Kinostart:11.01.2024
Verleih:Wild Bunch Germany
Produktion: Four Minutes Filmproduktion GmbH, DOR Film-West GmbH; DOR Film Produktionsgesellschaft mbH; Samsa Film S.a.r.l.; Senator Film Produktion;
FSK:12
Förderer:FFA; BKM; MBB; FFF Bayern; DFFF; Bayerischer Bankenfond; Filmfonds Luxemburg

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

So konsequent kann man eine Fortsetzung konzipieren. Etwas mehr als 15 Jahre nach seinem Film VIER MINUTEN hat Chris Kraus mit 15 JAHRE eine Fortsetzung gedreht, bei der die Zeit zwischen den Filmen dem Zeitsprung zwischen den beiden Filmhandlungen entspricht. Dies hat den Vorteil, dass die Hauptdarstellerin Hannah Herzsprung real 15 Jahre älter geworden ist und so sehr authentisch die Geschichte von Jenny von Loeben weiterführen kann. Das ehemalige musikalische Wunderkind hat die 15 Jahre im Gefängnis abgesessen, weil sie die Strafe für einen Mord auf sich genommen hat, den sie gar nicht begangen hat. Nach ihrer Entlassung lebt sie in einer religiösen Therapie-Wohngruppe und arbeitet als Reinigungskraft. Durch einen damaligen Mitstudenten und Bewunderer wird sie zurück in das Musikgeschäft gezogen, und als sie zusammen mit einem einarmigen Musiker aus Syrien bei einer TV-Talentshow auftreten will, stellt sich heraus, dass deren Showmaster ihr ehemaliger Geliebter ist, der damals den Mord begangen hat, wegen dem man sie bestraft hat. An ihm will sie sich rächen, auch wenn sie so ihre Chance auf einen Neuanfang verspielt. So nacherzählt klingt die Geschichte wie eine triviale, melodramatische Kolportage. Doch Chris Kraus, der auch das Drehbuch geschrieben hat, erzählt sie emotional stimmig und mit einer großen Wahrhaftigkeit den Filmfiguren gegenüber. Hannah Herzsprung bekommt hier die Gelegenheit, die Rolle ihres Lebens noch einmal spielen zu dürfen und sie gibt ihr die gleiche Radikalität, Impulsivität und Tiefe wie in VIER MINUTEN. Jenny von Loeben ist auch hier von ihren inneren Dämonen getrieben. Sie ist eine erwachsen gewordene „Systemsprengerin“, denn ihre Handlungen werden durch ihre extremen, schnell wechselnden Gefühle bedingt, und so ist sie unberechenbar und selbstzerstörerisch. Hannah Herzsprung lässt sich wieder ganz in diese hochkomplizierte Figur fallen und gerade weil sie nie um die Sympathien des Publikums buhlt, ist ihre Jenny von Loeben eine faszinierende und berührende Filmheldin. In Nebenerzählsträngen erzählt Kraus vom Zynismus der Kulturindustrie und davon, wie in unserer Gesellschaft mit den Schwachen und Gefallenen umgegangen wird. Und es gelingt ihm auch, all das unter einen Hut zu bringen, weil er den Film bis in die kleinsten Nebenrollen grandios besetzt hat. So spielt etwa Désirée Nosbusch eine Produzentin von Fernsehshows, die über Leichen geht und Adele Neuhauser überrascht mit ihrer einfühlsamen Darstellung der Leiterin einer christlichen Gruppe, die leicht zu einer Klischeefigur hätte werden können. Wie bei VIER MINUTEN hat Annette Focks wieder eine sehr intensive und fantasievolle Filmmusik komponiert und eingespielt, durch die das außergewöhnliche Talent und Temperament der Protagonistin auch in der Musik nicht nur behauptet wird, sondern spürbar wird.