Wunschbrunnen

Filmplakat: Wunschbrunnen

Kurzbeschreibung

Eine unzusammenhängende, aber synchrone Zeit. Eine transzendente Wendung, ein Streben nach Handlungsmacht, ein Wiedersehen mit den Strömungen des Waldes.
Prädikat wertvoll

Filminfos

Gattung:Experimentalfilm; Kurzfilm
Regie:Sylvia Schedelbauer
Kamera:Found Footage
Schnitt:Sylvia Schedelbauer
Musik:Jeff Surak
Länge:13 Minuten
Produktion: Sylvia Schedelbauer

Jury-Begründung

Prädikat wertvoll

Experimentelle Filme haben es nicht einfach. Sie abstrahieren, folgen den Regeln des Films nur bedingt, taugen wenig zum simplen Konsum und sperren sich mitunter, durch ihren vom Künstler gewählten, individuellen Akzent, dem Zugang durch ein größeres Publikum.

Sylvia Schedelbauers DER WUNSCHBRUNNEN macht hier keine Ausnahme, auch wenn er inhaltlich schnell der Auseinandersetzung des Menschen mit der Natur zugeordnet werden kann. Der Film präsentiert zunächst eine sonnig-idyllische Waldlandschaft, die von einem rauschenden Fluss durchschnitten wird. Rhythmische Schwarzblenden takten das Bild, während die Kamera allmählich herauszoomt. In das Schwarz der Blenden mischt sich die Schwarz-Weiß-Aufnahme eines Jungen, der sich bückt, um einen Gegenstand vom Boden aufzuheben. Zeitgleich entwickelt sich die Tonebene des Films vom anfänglich sphärisch-sirrenden Waldgeräusch zu einem bedrohlich wirkenden, elektronischen Zirpen und Raunen.

In der durchaus intensiv geführten Filmdiskussion zeigte sich die Jury, ob des Erfahrenen, gespalten. Die in der Folge immer schneller werdenden, stroboskopartigen Blenden sorgen für Irritation. Im Verlauf des Films legt sich dar, wie sehr die Rezeption des Gesehenen auseinanderfällt. Während DER WUNSCHBRUNNEN bei einem Teil der Jury so etwas wie eine pulsierende Sogwirkung entwickelt, ist beim anderen Teil der Jury gar ein körperliches Unwohlsein, eine Schmerzgrenze erreicht. Der dominierende Flicker-Effekt, zusammen mit dem zum Dröhnen anwachsenden, elektronischen Soundteppich fordern die Sinne außergewöhnlich. Und so reicht die Skizzierung der Empfindungen der Jury während des Betrachtens tatsächlich von hypnotisch-meditativer Erfahrung bis hin zum Fluchtreflex.

Sich steigernde Flicker-Effekte, mehrfache Überblendungen, Filmmaterial von unterschiedlicher Qualität (found oder archived footage), pulsierende, farbliche Bearbeitungen in Verbindung mit komplexen, psychoakustischen Ereignissen, die Reizüberflutung erschwert zunächst nur die konventionelle Lesart des Films, macht sie später nahezu unmöglich. In dem Maße aber, in dem sich DER WUNSCHBRUNNEN der Apperzeption verweigert, öffnet er sich der sinnlichen Wahrnehmung, der Perzeption. Sylvia Schedelbauers Film wirkt immersiv, assoziativ. Die Deutungs- und, vielleicht hier treffender, Empfindungshoheit liegt dabei klar beim Rezipienten. Wobei die Tonebene immer die Richtung und damit eine gewisse Führung vorgibt. Wirkliche Zuordnungsprobleme hatte die Jury indes mit dem sich aus der geöffneten Hand des Jungen entwickelnden Körper eines älteren Mannes. Weil sich Struktur und Farbgebung hier deutlich, beinahe prophetisch vom Rest des Films abhoben, stellte sich der Jury die Frage, wer dieser Mann sei, bzw. was für eine Rolle er spiele. Sie vermutete in ihm zunächst den Hinweis auf eine Narration, eine Erzählung, die letztlich nicht erfolgte.

DER WUNSCHBRUNNEN ist Videokunst! Der Film arbeitet mit Bildern, die vermitteln wollen, von der Jury aber letztlich nicht einwandfrei gedeutet werden konnten. Die thematische Auseinandersetzung von Mensch und Natur, das Erleben des Wassers des Flusses, das beständig fließt, mythisch verfremdeter Waldlandschaften und menschlicher Gestalten, funktioniert assoziativ. Über visuelle Fragmente und akustische Stimuli kann der Betrachter versuchen sich ein mehr oder weniger kohärentes Bild zu verschaffen. Dass diese Assoziierungen nicht für jeden Betrachter funktionieren, ist nach Ansicht der Jury allerdings das große Risiko, das Videokunst aufgrund ihres hohen Abstraktionsgrades und ihrer Eigenwilligkeit in sich trägt und daher auch auf sich nehmen muss. Nichtsdestotrotz kann die Jury die Qualitäten des Films erkennen und auch anerkennen und verleiht ihm das Prädikat wertvoll.