Jury-Begründung
Prädikat wertvoll
Christoph Grunert ist mit dieser Doku-Fiction ein hohes Wagnis eingegangen. Er mischt quasi alchimistisch die Genre und fügt Berichten, die die Leute für wahr halten oder welche in der Öffentlichkeit Akzeptanz finden könnten, Elemente hinzu, die offenbar aus seiner Fantasie stammen und die absurd oder pervers anmuten. Wer mit Ressentiments diesen Film sieht, wird vielleicht die Diagnose stellen, dass hier ein Epigone von Christoph Schlingensief am Werke war. Wer fair ist, wird differenzierter urteilen. Die Kritik der FBW-Jury betraf vornehmlich die überzogene Länge. Auch wurde die Frage erörtert, ob dieser Stoff und diese Ästhetik auf einer Theaterbühne nicht weitaus besser zur Geltung gebracht werden könnte als auf der Kinoleinwand. Doch es gab veritables Interesse an dieser Art der ästhetischen Aufbereitung von Kindheitsmustern und Wendedepressionen. Musikalisch passend durch Musik der DDR-Band „Karussell“ eingeleitet und abgerundet, wird aus Anlass des bevorstehenden 100. Geburtstags von Erich Honecker, dessen letzte Sekretärin vor die Kamera geholt. Dabei handelt es sich freilich nicht um die wirkliche historische Person, sondern um einen Darsteller in Frauenkleidung. Der Film kann quasi auch als ironische Replik auf die kommerzielle und unterhaltsame Verwertung von Zeugnissen der letzten Sekretäre/Sekretärinnen von anderen Staatsmännern gesehen werden. Es sind einige Ideen enthalten, die zu vieldeutigen Bildern führen oder zu ambivalenten Emotionen. Auch abgründige Komik wird subtil eingestreut. Es gab sehr kontroverse Auffassungen zu diesem Film (- beispielsweise auch zu dem Plot, Honeckers Asche hinter dem Grab des Sängers Ernst Busch beizusetzen). Trotz punktuell unterschiedlicher Einschätzung votierte die Jury für das Prädikat: „wertvoll“.