Waiting for Harold

Filmplakat: Waiting for Harold

FBW-Pressetext

Ein Blick rund um den Marktplatz zeigt alles, was im Leben so schief gehen kann. Eine hoffnungsvolle Romantikerin wartet mit Blume in der Hand auf ihr Blind Date, das aber nicht auftaucht, weil sein Bus zu spät kommt. Dieser wiederum überfährt fast einen Mann, der eine Paketbombe in ein offenes Fenster geworfen hat und nun hastig davonläuft. Auf einer Bank sitzt eine alte Frau, die Tauben füttert, als plötzlich ihre Handtasche von einem vorbei rasenden Motorradfahrer gestohlen wird. Und ein Passant mit geöffnetem Regenschirm wird von einem Konzertflügel erschlagen, der aus dem siebten Stockwerk eines Hauses auf den Bürgersteig kracht. Soviel Pech auf einmal. Das gibt es doch gar nicht. Doch, gibt es schon, auch wenn man zum zweiten Mal hinschaut. Und zum dritten Mal. Aber was passiert wohl, wenn man beim wiederholten Hinschauen in diesem ganzen Arrangement nur ein kleines Detail ändert? Die Idee des berühmten Flügelschlags eines Schmetterlings, der die ganze Welt verändern kann, ist selten so sympathisch, unterhaltsam und abwechslungsreich umgesetzt worden wie in dem sechsminütigen Animationsfilm von Christoph und Wolfgang Lauenstein. Kunstvoll und mit sehr viel Liebe auch für das kleinste Hintergrunddetail sind die knetanimierten Figuren in der Szenerie arrangiert und die stetige Wiederholung mit dem Ändern nur der kleinsten Details lässt den Zuschauer alles ganz aufmerksam verfolgen, um ja nichts zu verpassen. Intelligente Kurzfilmunterhaltung mit Pfiff.
Prädikat besonders wertvoll

Filminfos

Gattung:Animationsfilm; Kurzfilm
Regie:Christoph Lauenstein; Wolfgang Lauenstein
Drehbuch:Christoph Lauenstein; Wolfgang Lauenstein
Kamera:Christoph Lauenstein
Schnitt:Wolfgang Lauenstein
Musik:Richard Galliano,
Länge:5 Minuten
Verleih:Kurzfilm Verleih Hamburg
Produktion: Lauenstein & Lauenstein GbR, Christoph Lauenstein und Wolfgang Lauenstein
FSK:0
Förderer:BKM; FFHSH

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Wie groß die Wirkungen kleiner Ursachen sein können, wird in diesem Animationsfilm sehr eindrücklich, unterhaltsam und stilistisch überzeugend vorgeführt. Eine Straßenszene mit einer Anzahl von Filmfiguren wird in einem 360 Grad Schwenk vorgeführt. Es gibt dabei einige dramatische Vorkommnisse. So wird ein Herr auf der Straße von einem Konzertflügel erschlagen. Aber es wird auch gezeigt, wie ein kleines Mädchen in einen Bus steigt. Wenn nach dem eine Minute langen Schwenk die Kamera wieder an ihrem Ausgangpunkt ist, beginnt die gleiche Sequenz noch einmal von vorn, allerdings mit winzigen Veränderungen, die die Vorkommnisse zunächst nur minimal ändern. Dies sorgt für eine Irritation des Zuschauers, denn all die Details hat er sich beim ersten Hinsehen nur schwer merken können. Trügt ihn also sein Gedächtnis, oder passiert hier etwas Fantastisches? Bei den nächsten Durchgängen werden die Veränderungen deutlicher, und auch die Wirkungen sind bald drastisch. Der Flügel fällt nicht mehr auf den Passanten, der Bus, in den das kleine Mädchen einsteigen will, kommt nicht mehr und so weiter. WAITING FOR HAROLD ist mit minimalistisch entworfenenen Knetfiguren animiert. Hier wird nicht mit virtuoser Animationstechnik geprotzt, obwohl die Gebrüder Lauenstein dafür durchaus das Talent und auch die Mittel gehabt hätten. Stattdessen ist dies ein kleiner, durchaus liebevoll gestalteter Kurzfilm, der vor allem durch seine originelle Prämisse überzeugt. Durch den stetigen Rundumschwenk werden die Wiederholungen der Straßenszene ohne Bruch aneinander gereiht, und auch die gemütliche Filmmusik gaukelt eine Harmlosigkeit vor, durch die die extremen und zum Teil komischen Veränderungen der Handlung umso dramatischer wirken. WAITING FOR HAROLD stellt die Frage, in welchem Maße der Verlauf unseres Lebens von Zufällen bestimmt wird, und so ist dies zugleich ein philosophischer, künstlerisch überzeugender und unterhaltsamer Film, dem deshalb das Prädikat „besonders wertvoll“ verliehen wird.