Verfolgt

Kinostart: 04.01.07
2006

FBW-Pressetext

Gleich an mehrere Tabuthemen wagt sich dieser traumwandlerisch sicher und stimmig inszenierte Film, in dem eine fünfzigjährige Bewährungshelferin in ein sadomasochistisches Verhältnis mit einem minderjährigen Schutzbefohlenen gerät. Jenseits aller Peinlichkeiten und voyeuristischen Reflexe geben Drehbuch und Regie und vor allem auch die sensationellen Hauptdarsteller Maren Kroymann und Kostja Ullmann dem Drama Tiefe und Wucht. So aufwühlend und kontrovers dieser glänzend umgesetzte Filmstoff ist, so beeindruckend sind auch die filmischen Leistungen und die ebenso schonungslose wie poetische Kamera.
Prädikat besonders wertvoll

Filminfos

Gattung:Drama
Regie:Angelina Maccarone
Darsteller:Maren Kroymann; Kostja Ullmann; Markus Völlenklee
Drehbuch:Susanne Billig
Länge:86 Minuten
Kinostart:04.01.2007
Produktion: MMM Filmproduktion
FSK:16

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Wie sicher sind wir uns unserer Selbst, wie fest sind wir eingebunden in unsere sozialen Strukturen, wie weit ist ein Mensch fähig und bereit zu gehen, wenn er an emotionale Grenzen geführt wird, die er zuvor selbst nie in Frage gestellt hat?
Ohne jemals spekulativ zu werden, greift Regisseurin Angelina Maccarone das Tabuthema SM-Beziehung auf, überspitzt es sogar noch durch die Geschlechts-Alter-Konstellation. Dem wagemutigen Drehbuch von Susanne Billig und der souveränen Inszenierungskunst Angelina Maccarones gelingt es meisterhaft, eine unglaublich facettenreiche, aber niemals überfrachtete Ausgangssituation zu schaffen und diese den ganzen überaus atmosphärisch dichten Film hindurch ständig weiter anzureichern.
Ausgerechnet eine reife Bewährungshelferin, die sich der strafrechtlichen Konsequenzen einer sexuellen Beziehung mit einem jugendlichen Abhängigen bewusst sein muss, eine Mutter mit intaktem Familien- und Sexualleben, ausgerechnet dieses Musterbild an bürgerlicher Durchschnittlichkeit lässt sich entgegen des anfänglichen Widerstandes nach und nach auf eine Affäre mit einem 17jährigen auf Bewährung entlassenen Straftäter ein.

Das Drehbuch ist bis ins Detail derart stimmig, dass das Thema niemals sensationell aufbereitet oder die Figuren voyeuristisch vorgeführt werden. Dies liegt in der in jedem Moment, in jeder mimischen und körperlichen Nuance, in verbalen und selbst nonverbalen Dialogen stets überzeugenden Darstellung von Maren Kroymann und Kostya Ullmann, die den Zuschauer an ihren schrittweisen Erfahrungen und Entwicklungen beinahe körperlich teilhaben lassen, und, wie sich bei der Diskussion innerhalb des Bewertungsausschusses zeigte, vielfältige Formen der Identifikation zulassen oder auch einen neutralen Blick von außen ermöglichen, ohne die Faszination an der Geschichte zu mindern.
Dabei war die FBW-Jury überrascht, wie sehr es diesem zuerst unwillkürlich in die Schublade „Frauenfilm“ vorsortierten Werk gelang, Männer wie Frauen in seinen Bann zu ziehen und aufzuwühlen.
Unterstützt wird das sensible Spiel durch eine schonungslose und dabei zärtlich-poetische Kamera- und Lichtführung, die nicht versucht, Kroymann etwa als madonnenhaft verklärte mütterliche Schönheit darzustellen. Dieser schonungslose Blick auf Gesichtsfalten und den 50jährigen Bauch verdeutlichen die psychologischen Komponenten der Beziehung, bei der es nicht um die Befriedigung körperlicher Lust geht, sondern um gegenseitige emotionale Nähe, um Berührung jenseits eingeübter Formen.
Die sehr weit führende, in Teilen sehr persönliche Diskussion um den Film in der FBW-Jury ist Indiz für die Brisanz des Themas und für die auf höchstem künstlerischem Niveau gelungene Umsetzung, die einen weiteren Höhepunkt im kreativen Schaffen der Regisseurin und der Produktionsfirma (mmm-Filmproduktion, Zimmermann & Co., Hamburg) darstellen und die größte Hoffnung auf weitere, ähnlich beeindruckende Werken wecken.