Filmplakat: Treu

FBW-Pressetext

Sie wacht auf und weiß nicht, wo sie sich befindet. Um sie herum ist alles so fremd. Warum trägt sie ein rotes Negligee und warum ist ihr Lippenstift verschmiert? Wie kommt sie überhaupt hierher? Und warum kann sie die Tür nach draußen nicht öffnen? Als ein Mann auf sie zukommt, der behauptet, sie zu kennen, weiß sie keinen anderen Ausweg als zu fliehen. Doch wohin? Mit seinem Kurzspielfilm TREU stellt der Filmemacher Hansjörg Thurn unter Beweis, dass er die Regeln des filmischen Erzählens im Bereich Thriller und Drama sehr wohl kennt und beherrscht. Da ist die verkantete, sehr nah bei den Figuren bleibende Kamera, die uns schon auf der visuellen Ebene signalisiert, dass hier etwas nicht stimmt. Da ist die unheilvolle Musik, die die Bedrohung auf die auditive Ebene überträgt. Oder die geheimnisvolle und nicht zu durchschauende Mimik der Protagonisten – Annika Kuhl und und Anthony Arndt spielen ihre Rollen überzeugend - und die Wendung des Plots hin zu einer überraschenden und auch berührenden Auflösung. All das zusammen macht TREU zu einem stimmigen und stimmungsvollen Film, dem eine sehr empathische Auseinandersetzung mit dem Thema Altersdemenz gelingt.
Prädikat wertvoll

Filminfos

Gattung:Drama; Kurzfilm
Regie:Hansjörg Thurn
Darsteller:Anthony Arndt; Annika Kuhl; Bianca Arndt
Drehbuch:Katrin Wiegand
Kamera:Uwe Schäfer
Schnitt:Ollie Lanvermann
Musik:Johannes Malfatti
Webseite:treu-film.de;
Länge:14 Minuten
Produktion: Hansjörg Thurn, Getty-Film; Anthony Arndt;

Jury-Begründung

Prädikat wertvoll

Marie wacht auf und weiß nicht, wo sie ist. Alles ist ihr fremd: ihre Umgebung, ihr Makeup mit ihrem durch das leuchtende Rot eines Lippenstifts verschmierten Gesicht und schließlich auch der Mann, der sich ihr so nähert, als würde er sie gut kennen und der dadurch in ihrer Empfindung ihre Intimsphäre verletzt. Der Regisseur Hansjörg Thurn hat diese Sequenzen konsequent aus der Perspektive der Protagonistin aufgenommen und durch ungewöhnliche, verkantete Kameraperspektiven verstärkt er die Verunsicherung, die diese Frau zunehmend in Panik versetzt. Wie sie kann sich das Publikum kein objektives Bild von der Situation machen, wie sie durchlebt es einen Alptraum, der Urängste auslöst. Marie versucht zu fliehen, aber auch wenn sie kurzzeitig das Zimmer und das Haus verlassen kann, bleibt sie in ihrer inneren Welt ohne den festen Halt von Erinnerungen gefangen. Es gelingt Thurn und dem Filmteam durch Kameraarbeit, Schnitt und Musik eine verstörende Ahnung davon zu vermitteln, wie eine an Alzheimer erkrankten Person die Welt sieht. Thurn arbeitet souverän zuerst mit den Stilmitteln des Thrillers und lässt seinen Film dann fließend in ein tragisches Liebesdrama münden. Langsam wird erkennbar, dass der vermeintliche Eindringling in Maries Welt ihr Lebenspartner Anthony ist, der versucht, ihr ihre Lebenssituation deutlich zu machen. Doch auch wenn es ihm gelingt, die ehemalige Schauspielerin dadurch zu beruhigen, dass er sie so schminkt und kostümiert wie bei ihren Bühnenauftritten hat sie dies am nächsten Tag wieder vergessen, sodass er durch seine titelgebende Treue in einer Sisyphusaufgabe gefangen ist. Der Film überzeugt in den Sequenzen, die radikal aus der subjektiven Perspektive von Marie erzählt werden. Der Film endet aber mit einer naturalistisch „objektiven“ Schlusseinstellung, in der Marie in einem Rollstuhl vor den Laden einer Hilfsorganisation für Alzheimerpatient*innen geschoben wird. Dieser Stilbruch wirkt für die Jury ein wenig, als würde der Regisseur weder seiner eigenen Vision noch der Intelligenz der Zuschauer*innen so richtig trauen. In Abwägung aller dargelegten Argumente und im Anschluss an eine spannende Diskussion vergibt die FBW-Jury gerne das Prädikat „wertvoll“.