Filmplakat: Tracing Addai

FBW-Pressetext

Niemand, der Addai kannte, hätte gedacht, dass der junge Mann sich eines Tages von Deutschland nach Syrien aufmacht, um sich dort am Bürgerkrieg zu beteiligen. Auch die Filmemacherin Esther Niemeier, die Addai und seine Mutter seit ihrer Jugend kennt, war geschockt, als sie die Nachricht im Winter 2013 erhielt. In dem animierten Dokumentarfilm TRACING ADDAI nutzt Esther Niemeier ihren persönlichen Zugang zu den Protagonisten, um auf sensible und berührende Weise von einem hochbrisanten und aktuellen Thema zu berichten. Sie trifft sich mit der Mutter, die von Addais spärlichen Nachrichten erzählt, die er ihr aus Syrien schrieb. Und sie trifft sich mit Ilias, der zusammen mit Addai in Syrien war, bis er es nicht mehr aushielt und sich für eine Mission in Deutschland meldete, bei der er festgenommen wurde. In Haft traf Ilias auch zum ersten Mal auf Addais Mutter und berichtete ihr, wie er Addai in Syrien kennenlernte. Während sich der Film auf die Spuren eines Verschwundenen begibt, kommt man gleichzeitig den Menschen näher, die Addai zurückgelassen hat. In den sehr offenen Erzählungen der Mutter berichtet diese von einem jungen Mann, der sich nie so recht irgendwo zugehörig fühlte. Und auch Ilias, der für die Unterstützung einer terroristischen Organisation im Gefängnis sitzt, macht den Zwiespalt der jungen Menschen deutlich, die sich aus unterschiedlichen Gründen dem Krieg in Syrien anschließen und vor Ort nicht finden, was sie suchen. Niemeier selbst hält sich im Hintergrund, kommentiert nicht. Und dennoch spürt man permanent die große persönliche Nähe der Filmemacherin zu ihrem Thema. Das alles macht TRACING ADDAI zu einem bewegenden und gesellschaftlich hochrelevanten Film.
Prädikat besonders wertvoll

Filminfos

Gattung:Animationsfilm; Dokumentarfilm; Kurzfilm
Regie:Esther Niemeier
Darsteller:Benito Bause; Kais Setti
Drehbuch:Britta Strampe; Esther Niemeier; Sarah-Christin Peter
Kamera:Omri Aloni
Schnitt:Sarah-Christin Peter
Musik:Robert Pilgram
Länge:29 Minuten
Produktion: Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF, RBB;
Förderer:MBB; RBB; Filmuniversität Babelsberg

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Der animierte Dokumentarfilm TRACING ADDAI erzählt eine erschütternde Geschichte. Der junge Addai, Sohn einer Deutschen und eines Afrikaners, zieht nach einer psychotischen Erkrankung und der Konversion zum Islam mit Anfang 20 nach Syrien in den Bürgerkrieg. Im FoKus des Films steht seine Mutter. Traurig, wütend und voller Selbstzweifel versucht sie die Entscheidung des Sohnes zu verstehen und über sporadische Handy-Nachrichten Kontakt zu ihm zu halten. Ein Kombattant von Addai, Illias, sitzt mittlerweile in Deutschland im Gefängnis wegen Unterstützung einer terroristischen Organisation im Ausland. Er berichtet über schreckliche Erlebnisse und die Wendung zum Salafismus. Durch Unschärfen, Kolorierung und graphische Konturierung erzählen die Bilder trotz präzisen Bezugs zum syrischen Konflikt eine universelle Tragödie. Zusätzlich führt die Animation zu einer großen Konzentration beim Zuhören.
Was dem Film mit all seinen Mitteln gelingt, ist eine künstlerisch eigenständige und gelungene Balance zwischen inhaltlichen Aussagen und ästhetischer Form. Und so zeichnet die Jury der FBW den Film mit dem höchsten Prädikat „besonders wertvoll“ aus.