Stadtmuseum / Moi Rai

Filmplakat: Stadtmuseum / Moi Rai

FBW-Pressetext

Für die Einen sind Mauern nur Mauern. Für die Anderen sind sie Leinwände und Einladungen, einen persönlichen Handabdruck zu hinterlassen. Doch die, die in Mauern eben nur Mauern sehen, wollen diese Spuren nicht. Und verpassen die Chance, der Stadt das zu lassen, was sie besonders macht: ihren Charakter und ein großes Stück Seele. In STADTMUSEUM begeben sich Boris Dewjatkin und Laurine Irmer auf die Spuren Berlins und dechiffrieren die Hinterlassenschaften, die der Mensch, die Natur und die Zeit der Stadt „vermacht“ haben und die sich immer wieder neu vermischen (die Filmschaffenden selbst verwenden den Begriff des „Palimpsests“, also ein neu beschriebenes Manuskript, dessen ursprünglicher Text entfernt wurde). Dabei reflektiert Dewjatkin auch seine eigenen Spuren im Leben und das Identitätsgefühl, welches eng mit dem Begriff „Heimat“ verbunden ist. Dewjatkin und Irmer verbinden die zahlreichen bewegten und unbewegten Bilder in einer dynamischen Montage, unterlegt von einem elektronischen Score und Dewjatkins nachdenklich-augenzwinkerndem Kommentar. Ein Kommentar, der den Film auch zu einer Mahnung an das kapitalistisch-austauschbare Stadtbild von heute werden lässt.
Prädikat wertvoll

Filminfos

Gattung:Dokumentarfilm; Experimentalfilm; Kurzfilm
Regie:Boris Dewjatkin
Drehbuch:Boris Dewjatkin; Laurine Irmer
Kamera:Boris Dewjatkin; Marshl Ceron Palomino; Manuel Lossau
Schnitt:Boris Dewjatkin
Musik:Samuel Wiese
Länge:26 Minuten
Produktion: Boris Dewjatkin
FSK:6

Jury-Begründung

Prädikat wertvoll

Mit seinem Experimentalfilm STADTMUSEUM geht Regisseur Boris Dewjatkin einen radikalen und gewagten Weg. Der Film ist ein Manifest, das die Zuschauer:innen mit einer Vielzahl von visuellen Eindrücken und einem gleichzeitigen Kommentar des Erzählers überflutet. In dieser Woge von Bildern und Worten konfrontiert der Film das Publikum mit einer scharfsinnigen und teils radikalen Kritik an bestehenden Verhältnissen, insbesondere den Prinzipien des Kapitalismus und der Propaganda.
Die filmischen Collagen fordern heraus, den eigenen Standpunkt zu hinterfragen und kritisch zu denken – wenn auch nicht immer mit Erfolg, da der überwältigende visuelle Fluss den Zuschauer:innen wenig Raum für Reflexion lässt. Nach einer Weile bleibt ein Gefühl der Selbstgerechtigkeit zurück, und dass man eben Zeug:in eines anarchistisch-terroristischen Aktes geworden ist. Die radikal subjektive Perspektive der Erzähler steht dabei in einem spannenden Kontrast zum Generalismus der Aussagen, die sich mit verzerrter Stimme als eine Art Komitee selbst entlarven. Der Film erzeugt das Gefühl, dass ein Umbruch bevorsteht – eine Wende, die jedoch nicht greifbar ist.
Die Jury würdigt den radikalen Anspruch und die künstlerische Umsetzung von Dewjatkin, der diesen Film als kollektiven Prozess mit seinem Team entwickelt hat. Der Film besitzt das Potenzial, nicht nur im Kinoraum, sondern auch in einem Ausstellungskontext seine Wirkung zu entfalten. Besonders hervorzuheben ist der autobiografische Exkurs, in dem Dewjatkin selbst zum Protagonisten wird. Dieser Moment fügt dem Film eine persönliche, fast intime Dimension hinzu, die das Gesamtwerk bereichert.
Leider, so die Ansicht der Jury, gelingt es dem Film nicht, die Vielzahl an Ideen und Themen in eine nachvollziehbare Entwicklung zu überführen. Stattdessen pendelt STADTMUSEUM zwischen Dokumentation und Künstlichkeit, wobei der beinahe hektische Rhythmus zunehmend ermüdend wirkt. Diese Erschöpfung des Publikums steht im Widerspruch zur eigentlichen Absicht des Films, eine tiefgehende, reflektierte Auseinandersetzung zu erzeugen. Anstatt das Bewusstsein für gesellschaftliche Missstände zu schärfen, verstärkt die rasante Bild- und Informationsflut eher das Gefühl der Überforderung.
Die Jury erkennt die künstlerische Vision und den radikalen Ansatz des Films an und vergibt in Abwägung aller dargelegten Argumente daher das Prädikat „wertvoll“.