See der Freude

Filmplakat: See der Freude

FBW-Pressetext

Jasja ist neun Jahre alt, als ihre Mutter stirbt. Von nun an kümmert sie sich um ihren Vater, den kleinen Bruder, den Haushalt. Als ihr Vater beschließt, Jasja in ein Kinderheim zu bringen, vertraut sie ihm, dass es nicht für lange ist und wartet darauf, dass er sie bald wieder abholt. Aber der Vater kommt nicht. Und so beschließt sie, auf eigene Faust wieder zurückzugehen. Doch als sie dort ankommt, stellt sie fest, dass ihr Zuhause sich verändert hat. Und vielleicht nie mehr ihr Zuhause sein kann. In knapp 30 Minuten erzählt Regisseur und Drehbuchautor Aliaksei Paluyan, basierend auf der Geschichte des Autors Viktor Martinowitsch und den Kindheitserfahrungen von Paluyans Vater, eine Geschichte mit unzähligen Zwischentönen, ohne dafür viele Worte zu verwenden. Die Bilder erzählen die Geschichte durch lange Einstellungen und einem genauen Gefühl für die karge, trostlose Landschaft, in der Menschen in ihrer Unfähigkeit zu kommunizieren ebenso hart sein müssen wie die Umgebung um sie herum. Die Gesichter der Darsteller*innen wiederum erzählen die Gefühle und Anastasiya Plyats, die selbst in einem Waisenhaus lebt, verleiht der Jasja durch ihre eindringliche Mimik eine starke Präsenz und macht die inneren Konflikte des kleinen Mädchens, das stumm und stoisch leidet, deutlich. Das Kinderheim als Ort der Heimatlosigkeit wird nicht als bedrohlicher Ort dargestellt, sondern bietet Wärme und Freundschaft für Jasja. Trotz seiner großen Ruhe und der fast schon monochromen Farbgebung ist SEE DER FREUDE ein immer spannender Film, der immens berührt.
Prädikat besonders wertvoll

Filminfos

Gattung:Kurzfilm
Regie:Aliaksei Paluyan
Darsteller:Anastasiya Plyats; Igar Sigau; Palina Kudzina
Drehbuch:Aliaksei Paluyan
Buchvorlage:Viktor Martinowitsch
Kamera:Behrooz Karamizade
Schnitt:Aliaksei Paluyan
Musik:Siarhei Douhushau; Nasta Papova
Länge:29 Minuten
Produktion: Aliaksei Paluyan
FSK:0
Förderer:HessenFilm und Medien

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Weißrussland im Jahre 1991: Nach dem Tod ihrer Mutter wird die 9-jährige Jasja von ihrem Vater in ein Kinderheim gebracht. Dort wartet sie vergebens auf seine Rückkehr, erlebt aber vielleicht zum ersten Mal so etwas wie eine unbeschwerte Kindheit, findet Freunde und erfährt Beachtung seitens eines Erziehers, der sich ihrer annimmt. Dennoch reißt sie eines Tages aus, kehrt in ihr Dorf zurück, nur um dort feststellen zu müssen, dass ihr Vater gerade im Begriff ist, erneut zu heiraten und eine neue Familie zu gründen. Nur kurz hält sie es in ihrer alten Heimat aus, dann macht sie sich wieder auf den Weg in das Heim.

Lose basierend auf eigenen Begebenheiten aus dem Leben des Filmemachers und auf dem Roman Lake of Joy des weißrussischen Schriftstellers Viktor Marinowitsch entwirft der Regisseur Aliaksei Paluyan das bedrückende Bild einer zutiefst gestörten Vater-Tochter-Beziehung und die verzweifelte Suche des Mädchens nach Halt und Sicherheit in einer Zeit, in der all das, was ihr als fest und zuverlässig erschien, plötzlich zu verschwinden droht.

Dies alles taucht der Film in düstere, sehenswerte Bilder, bei denen auf der Tonebene vor allem die weitgehende Sprachlosigkeit und Erstarrung der Figuren auffällt. An keiner Stelle kommt es zu Erklärung oder Konfrontation zwischen Vater und Tochter, statt Worten sind es hier vor allem Bilder, über die sich das Kind und sein Vater sowie die anderen Beteiligten mitteilen. Ein Verhalten, das ein Teil der Jury zwar nicht unbedingt als glaubwürdig, aber als sehr intensiv und beinahe schmerzvoll empfand.

Weiterhin lobte die Jury die eindrückliche Schilderung der bedrückenden und von Armut und Hoffnungslosigkeit geprägten Lebensumstände vor allem auf dem Land in der Zeit nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und die damit einhergehende Loslösung der früheren Sowjetrepubliken, bei der es viele Verlierer und nur wenige Gewinner gab.

Die Jury der FBW erteilte dem eindringlichen Drama das Prädikat „besonders wertvoll“.