Filmplakat: Schwerelos

FBW-Pressetext

„Skills sind wie Löwenzahn, weil sie an der Straße wachsen.“ So beschreibt die Poetry-Slam-Künstlerin Fatima Moumouni die Künstler, denen sie in ihrem Gedicht huldigt: Parkour-Läufer. Sie springen, sie gleiten, sie schweben über den Beton. Mauern sind nur Wege nach oben, Geländer nur Hürden auf dem Weg über den Asphalt. Und die ganze Stadt mit ihren Grenzen und Begrenzungen ist eine einzige Projektionsfläche. In seinem experimentellen Dokumentarfilm SCHWERELOS begleitet der Filmemacher Jannis Lenz Wiener Parkour-Läufer auf ihrem Weg durch die Beton-Labyrinthe der Innenstadt. Dabei ist kein Geländer zu steil, keine Mauer zu hoch und kein Landeplatz zu klein. Dank einer unfassbaren Kameraleistung klebt der Zuschauer fast an den Bewegungen der Sportler. Die kraftvollen Worte Moumounis verleihen dem Film zusammen mit der Musik seinen treibenden Rhythmus. Gleichzeitig sorgen die Worte für eine poetische Sanftheit und verwandeln den Sport in einen Tanz und die Stadt in eine Bühne. Auf diese Weise zeigt der Film, dass sich die Parkour-Läufer auf diese Weise die Stadt, „ihre“ Stadt, als wertvollen Lebensraum zurückerobern. Das starke Farbgrading sorgt für einen zusätzlich kraftvollen Effekt, das knallige und stark betonte Rot lässt die Parkour-Läufer förmlich in Flammen stehen. Jannis Lenz ist ein beeindruckender Film gelungen. Ein Film, in dem viel Arbeit steckt. Und der doch so wirkt, wie er heißt: SCHWERELOS.
Prädikat besonders wertvoll

Filminfos

Gattung:Dokumentarfilm; Experimentalfilm; Kurzfilm
Regie:Jannis Lenz
Drehbuch:Jannis Lenz
Kamera:Andi Widmer; Carolina Steibrecher; Florian Hatwagner
Schnitt:Jannis Lenz
Musik:Erokia; Sample Construct; James Longley
Länge:9 Minuten
Verleih:sixpackfilm
Produktion: Ocean Pictures Filmproduktion Roland Fischer, Filmakademie Wien; Jannis Lenz
Förderer:Filmakademie Wien; Universität für Musik und darstellende Kunst Wien

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Einen in jeder Beziehung urbanen Film hat Jannis Lenz mit SCHWERELOS eingereicht. Sein Film beobachtet junge Parkourläufer, bzw. Traceure in ihrer Stadt. Mit großer Eleganz bewegen sie sich durch den Raum, winden sich, springen, fließen … und das alles irgendwie immer ein wenig schwerelos.

Nur wenige Sekunden zeigt sich SCHWERELOS wie eine simple Studie bzw. eine einfache Dokumentation, dann gewinnt der Film rasch an Aussage und Fahrt und wird zu Kunst. Die Jury zeigte sich beeindruckt davon, wie viel Kraft und Ausdruck Lenz in seinem knapp zehnminütigem Film unterbringen konnte. Nicht kompetitiv, d.h. nicht gegeneinander treten die Akteure seines Films an, nein, miteinander erobern sie den Raum. Eine Auseinandersetzung finden sie mit sich selbst, mit dem Material, mit dem Hindernis, das sie zu überwinden suchen. SCHWERELOS beobachtet sehr genau, zeigt die Konzentration der Traceure, deren Zaudern, aber auch deren Entschlossenheit bei der Rückeroberung urbanen Raums.

SCHWERELOS ist kein grober Film, im Gegenteil, Nuancen spielen eine überaus wichtige Rolle. Bröselnde Betonmauern, mit Flechten besetzte Fassaden: die Affinität zur urbanen Kultur steckt im Detail und ist beständig spürbar. Schon die ersten Szenen wirken hochkonzentriert. Einige Geräusche sind zunächst zu hören, ein Rauschen. Dann nimmt der Film Bewegung auf. Lenz lässt Betonfassaden sprechen und dann die Poetrie-Slammerin Fatima Moumouni. Vor dem Hintergrund eines Güterbahnhofs berichtet sie vom Leben in der Großstadt. Parallel dazu setzen sich die Parkourläufer in Bewegung.

Lenz‘ Bilder sind gut gewählt, außerordentlich exakt geschnitten und gehen beinahe beiläufig eine innige Synthese mit Moumounis Text ein. In der Filmdiskussion zeigte sich die Jury von Rhythmus, Fluss und Tempo des Films begeistert. SCHWERELOS zeigt keine verschenkte Sekunde, keine Spielereien und dennoch genügend hat der Film Raum und Zeit für Poesie. Lenz folgt den Traceuren durch ihr Viertel, ihre Stadt, zeigt deren eigenwillige Choreographie aus Effizienz, schnellen Läufen und gewagten Sprüngen. SCHWERELOS ist aber kein Werbefilm. Er zeigt auch, dass nicht alles klappt, das nicht jeder Sprung sitzt und dass, sogar mit größter Körperbeherrschung, immer auch der Respekt der Traceure vor den Hindernissen zu spüren ist - vielleicht sogar deren Angst vor der Aneignung des Nichtaneignenbaren.