Rückkehr nach Süden

Filmplakat: Rückkehr nach Süden

FBW-Pressetext

Für Abschied war keine Zeit. Erschöpft müssen zwei Geschwister den leblosen Vater auf den Schultern durch die Einöde zerren. Das einzige noch wahrhaftige Ziel vor Augen: Heimat. Als letzte Ruhestätte des Vaters. Über Lautsprecher ertönt dröhnend die Gefahr. Nur mit Mühe kann ein Grenzzaun überwunden werden. Für Trauer ist keine Zeit, denn bald beginnt die Jagd. Sofía Ayala entwirft eine packende Ellipse in einer surreal dystopischen Welt der Gewalt, die gekonnt mit Irritationsmomenten spielt und mehr als einmal eine falsche Fährte legt. Doch selbst dort, wo die Flucht jedes Menschliche unmöglich erscheinen lässt, glimmt der Traum nach Freiheit. Besonders heraus stechen dabei die exzellenten Kamera- und Montagearbeiten von Hannes Schulze und Elena Weihe, die statische Bilder mit einer intimen Handkameraästhetik kontrastieren und so die existenzielle Grenzerfahrung der Figuren förmlich spürbar werden lassen. Schlussendlich ist die RÜCKKEHR NACH SÜDEN sogar ein Appel gegen das Wegschauen, gegen das Dulden, gegen die Ignoranz. Ein großes Kino auf kleinem Raum – so geht Spannung im Kurzfilm.
Prädikat besonders wertvoll

Filminfos

Gattung:Drama; Spielfilm; Kurzfilm
Regie:Sofía Ayala
Darsteller:Laura Fernández; Felix Lari Strümpel; Asad Schwarz
Drehbuch:Sofía Ayala
Kamera:Hannes Schulze
Schnitt:Elena Weihe
Musik:Lucas Castillo
Webseite:dffb.de;
Länge:14 Minuten
Verleih:DFFB
Produktion: Deutsche Film- und Fernsehakademie Berlin GmbH (DFFB), Löwenstroh Productions;
Förderer:dffb

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Nur auf den ersten Blick irritiert diese ganz besondere Fluchtgeschichte, von der Sofía Ayala in ihrem sehenswerten Kurzfilm RÜCKKEHR NACH SÜDEN erzählt: Drei Menschen auf der Flucht, die sich schnell als ein Vater und seine schon nahezu erwachsenen Kinder identifizieren lassen. Der ältere Mann lebt nicht mehr und soll von seinen Kindern über die hermetisch abgeriegelte Grenze nach Süden gebracht werden, um dort in seiner Heimat seine letzte Ruhe zu finden. Doch die drei werden erbarmungslos gejagt von gesichtslosen Häschern, die die beiden Überlebenden schließlich als Kombattanten in einem zynischen Spiel des Überlebens einsetzen, welches nur einer von ihnen überleben wird. Betrachtet man diese hier gezeigte Situation, so möchte man meinen, dass eine Flucht aus der Zone weniger gefährlich sein dürfte als eine Flucht, die darauf abzielt, in diese hermetisch abgeschirmte Zone zu gelangen. Allerdings zeigt der Film durch seine Stilisierung, dass es weniger um ganz konkrete Fluchtgründe als vielmehr um ein zugespitztes Räsonieren um das Wesen der Flucht insgesamt und unseren unmenschlichen Umgang damit geht. Dazu thematisiert der Film die brutale Einschränkung von Bewegungsfreiheit und Freizügigkeit, die manche Menschen betrifft und andere nicht, und dazu die Willkür dieser Festlegungen und Machtverhältnisse.

Sehr packend und stilistisch ausgefeilt überzeugt RÜCKKEHR NACH SÜDEN durch ausdrucksstarke und symbolisch aufgeladene, aber niemals überfrachtete Bilder, die die ganze Absurdität und Abgründigkeit unseres Umgangs mit Menschen, die zur Flucht - egal in welche Richtung und aus welchen Gründen auch immer - gezwungen sind. Diese Schilderung gelingt dabei fast wortlos (der Film verwendet nur an einzelnen Stellen eine unverständliche Kunstsprache) und allein durch die Kraft der Bilder und die Wirkung der Inszenierung.

Als besonderer Clou erschien der Jury dabei die erzählerische Klammer, in der die eigentliche Handlung in einen Museumskontext gestellt wird und damit Verschiedenes eindrucksvoll zugespitzt wird: Da ist zum einen die historische Dimension der gegenwärtigen Migration und des Versuchs, diese mit allen Mitteln (auch gewaltvollen) zurückzudrängen. Ein Handeln, bei dem jede Form der Empathie und Mitmenschlichkeit in den Hintergrund gerät. Zum zweiten verdeutlicht dieser Rahmen aber auch unsere eigene Passivität und unsere Rolle als Zuschauende, die sehr wohl um das Elend und die Not wissen und zugleich meinen, auf diese himmelschreienden Umstände keinerlei Einfluss zu haben.

Die Jury der FBW war begeistert und entschied sich für die Vergabe des Prädikats BESONDERS WERTVOLL.