Ready for Ransom

FBW-Pressetext

Homosexualität bedeutete für den inzwischen verstorbenen Ransom Bradford Verlust und Tod. Zu oft musste er in seiner Jugend mitansehen, wie ihm Liebe aus den Händen gerissen wurde. In intensiven wie ergreifenden Interviewsituationen schilderte Bradford dem Filmemacher Simon Dickel im Jahr 2005 Versatzstücke seiner Vergangenheit bis zu dem Punkt, als Bradford seine eigene sexuelle Orientierung nicht länger hinnehmen wollte und sich einer Elektroschocktherapie zur Umerziehung unterzog. So erschafft Dickel eine sehr intime Reflexion eines Mannes, dem er sich zunächst sehr verhalten im universitären Kontext näherte und Schritt für Schritt sogar so viel Sympathie für ihn empfand, dass er Bradford einen filmischen Nachruf widmet. So werden die Aussagen von Bradford zum Echo einer Zeit, in der Homophobie als Dämon ungebremst durch die Gesellschaft wandelte, bis hinein in die Köpfe der Unterrückten selbst. Ein wichtiger Dokumentarfilm über Liebe, Begehren und Trauer, der dazu anregt, genauer hinzuschauen.
Prädikat wertvoll

Filminfos

Gattung:Dokumentarfilm; Kurzfilm
Regie:Simon Dickel
Darsteller:Protagonist: Ransom Bradford
Drehbuch:Simon Dickel
Kamera:Simon Dickel
Schnitt:Thomas Behm; Simon Dickel
Länge:16 Minuten
Produktion: Simon Dickel

Jury-Begründung

Prädikat wertvoll

Aus den angelsächsischen Ländern haben es so einige Filme über das Schwulsein in den späten 1960ern und frühen 1970er Jahren auf hiesige Leinwände und Bildschirme geschafft. Wie schön, dass es endlich auch einmal einen Film gibt, der über Leben und Coming-Out in der Bundesrepublik vor 50 Jahren berichtet.

READY FOR RANSOM, der Titel macht neugierig, zeigt in erster Linie ein Interview mit Ransom Bradford. 17 Jahre lang haben viele Stunden ungeschnittenen Films im Schrank Simon Dickels liegen müssen, bis der Filmemacher sich entschließen konnte, mit dem Material an einen Schnittplatz zu gehen. Entstanden ist ein Film, der sehr viel aussagt und vielleicht auch noch viel mehr hätte sagen können.

Dickel lässt Bradford erzählen, wie er sein Queersein in den 70er Jahren erlebt hat. Er beschreibt eindrücklich, wie sehr sich gesellschaftliche Zwänge bis ins Privateste durchsetzen, wie sehr Ransom noch in den 70er Jahren mit sich und seinem Schwulsein haderte und auch, wie sehr er sich damals gewünscht hätte, heterosexuell zu sein. Allerdings deutet READY FOR RANSOM noch viel mehr an. Als eine Art Subtext transportiert er auch die Zuneigung des Filmemachers zum Protagonisten.

Tatsächlich ergibt sich im Laufe des Films, dass Bradford einen Vorbildcharakter für Dickel hatte: In beruflicher, als auch in privater Hinsicht hat Dickel zumindest so etwas wie einen Mentor in Bradford erkannt. Diese Nähe ist es aber auch, die READY FOR RANSOM qualitativ beeinflusst. Mit jeder Sequenz meinte die Jury deutlicher zu verspüren, dass im Film eigentlich mehr steckt, als er realiter zeigt. Mit jeder Sequenz erschien er ihr mehr, wie eine verdeckte, posthume Liebeserklärung Dickels an den Protagonisten. Tatsächlich steckt in READY FOR RANSOM das Zeug zu einem filmischen Denkmal für Ransom Bradford. Ein Film, der vermutlich noch wesentlich eindrücklicher hätte erklären können, was Ransom Bradford durchlebt hat und so demonstriert hätte, wie sich die schwule Community in den „Happy 70s“ noch verbergen musste.

Die Jury glaubt, dass Dickel einen äußerst wichtigen Film gemacht hat, einen Film, der über Scham und Trauer spricht und auch heute noch dazu beiträgt über schwule Identität in Deutschland zu sprechen. Allerdings wäre Simon Dickel gut beraten gewesen, einen weiteren Regisseur oder Dramaturgen mit ins Boot zu holen, bzw. einen filmischen Berater, der mit Distanz auf sein Material geschaut hätte. Dadurch wären nach Ansicht der Jury vielleicht weitere wichtige Details in den Film gelangt, die READY FOR RANSOM bislang nur im Abspann preisgibt. Außerdem hätte sich die Jury einen unbeteiligten Sprecher gewünscht, der moderierten Passagen eine zusätzliche Lebendigkeit verliehen hätte.

Sehr gerne hätte die Jury mehr über die Person Ransom Bradford erfahren, sehr gerne wäre sie emotional tiefer in dessen Leben in den 70er Jahren eingetaucht und sehr gerne hätte sie mehr über schwules Dasein vor 50 Jahren erfahren. Simon Dickels Dokumentation traut sich, so die Auffassung der Jury, nicht weit genug aus der sicheren Reserve, um größere Emotionen entstehen zu lassen, obwohl er sehr intime Einblicke gewährt. Selten hat die Jury so sehr bedauert, wie bei Simon Dickels READY FOR RANSOM, dem Film nicht das höchste Prädikat zu verleihen. Sehr gerne aber zeichnet sie den Film mit dem Prädikat WERTVOLL aus.