Paju - Die innere Teilung

Filmplakat: Paju - Die innere Teilung

FBW-Pressetext

In ihrem Dokumentarfilm besucht die deutsch-koreanische Filmemacherin Susanne Mi-Son Quester die südkoreanische Stadt Paju, die direkt an der Grenze zu Nordkorea liegt.

Paju ist eine Stadt in Südkorea. Vom Berg Dorasan, der sich im Norden von Paju befindet, kann man die nordkoreanische Stadt Kaesong sehen. Und nicht nur das macht Paju zu einer Stadt zwischen den Staaten. Die deutsch-koreanische Filmemacherin Susanne Mi-Son Quester reist in ihrem Dokumentarfilm PAJU – DIE INNERE TEILUNG in die Stadt und trifft dort neben ihrer Familie auch viele andere Menschen, die von ihren ganz persönlichen Empfindungen und Erfahrungen reden, die durch den alltäglichen Umgang mit der Grenze entstehen. Da gibt es eine junge Frau, die sich um die Verwaltung des Friedhofs für Vertriebene aus Nordkorea kümmert. Oder eine Reiseleiterin, die Touristentruppen in das Grenzgebiet führt. Die Aussagen dieser Menschen fängt Quester in all ihrer Ambivalenz und Vielschichtigkeit ein. Sie selbst wertet nicht, fragt aber durchaus nach, wenn die Aussagen Konkretes vermissen lassen. So steht die Regisseurin selbst stellvertretend für den Blick von außen auf einen Konflikt, der hochaktuell diskutiert wird, aber doch so komplex ist, dass man ihn nur schwer durchschauen kann. Unkommentierte Passagen wie der Besuch einer Beisetzung auf dem Friedhof liefern spannende Einblicke in die Kultur des geteilten Landes, und die Montage sich wiederholender Fahrten zur gesperrten „Freiheitsbrücke“, die zwischen beiden Ländern verläuft und in der Mitte gesperrt ist, zeigen den Kern des jahrzehntelangen Konflikts, ohne dafür viele Worte zu gebrauchen. PAJU – DIE INNERE TEILUNG ist ein kluger, reflektierter und doch auch sehr persönlicher Dokumentarfilm über ein geteiltes Land.
Prädikat wertvoll

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Filminfos

Gattung:Dokumentarfilm
Regie:Susanne Mi-Son Quester
Drehbuch:Susanne Mi-Son Quester
Kamera:Mieko Azuma
Schnitt:Susanne Mi-Son Quester; Jihyeon Park
Länge:77 Minuten
Produktion: mandarinenfilm Geierstanger&Quester GbR
Förderer:FFF Bayern; KJDF

Jury-Begründung

Prädikat wertvoll

Die Teilnahme einer gemischten Mannschaft aus beiden Teilen Koreas an den Olympischen Winterspielen im Februar 2018 rückte die Träume von der Wiedervereinigung in den weltpolitischen Focus. Dieser kluge und unaufgeregte Dokumentarfilm fängt die Meinungen zu diesem Thema in Paju, einer 1996 gegründeten, prosperierenden Stadt an der Grenze zum Norden, ein. Dabei gelingt es der jungen Filmemacherin Susanne Mi-Son Quester, ein breites Spektrum abzubilden.
Ihr Zugang ist sehr persönlich, wie sie in der Einführung ausführt. Ihre Mutter stammt aus Südkorea, ihre Großeltern waren Ende der Vierziger/Anfang 1950 aus dem Norden geflüchtet. Eines ihrer vier Kinder sollte ihre Großmutter bis zu ihrem Tod nicht wiedersehen. Der Eiserne Vorhang, der beide Landesteile seit 1953 endgültig teilt, ist selbst für Verwandtenbesuche unüberwindbar.
Der Vergleich zu den Beziehungen zwischen dem einst geteilten Deutschland und seinem Weg zur Wiedervereinigung drängt sich natürlich auf. Viele Deutsche werden ihre Erfahrungen und Gefühle aus den Trennungsjahren im Film wiederfinden. Das reicht von einer dramatischen Fluchtgeschichte einer Mutter, die ihren Sohn im Norden zurücklassen musste. Über die Familie der Regisseurin, deren Angehörige auf dem riesigen „Friedhof der Heimatlosen“ an der Grenze mit Blick auf Nordkorea bestattet wurden. Über einen jungen südkoreanischen Soldaten, der an der Grenze Dienst schob und den kommunistischen Nachbar nur aus Propagandaschulungen kennt. Bis zu einem Jungen von der Wiedervereinigungsschule Pajus, der wenig mit dem Gelernten anfangen kann.
Knapp 70 Jahre nach der Teilung ist die südkoreanische Gesellschaft in Bezug auf eine mögliche Wiedervereinigung gespalten. Wie einst die westdeutschen Familien mit Wurzeln im Osten, möchten auch sie endlich wieder mit ihren Angehörigen im Norden vereint sein. Wer keine verwandtschaftlichen Beziehungen hat, für den sind andere Länder und Kulturen interessanter. Obwohl sich dies, so mehrere Gesprächspartner, seit einigen Jahren wandelt – wozu auch die wirtschaftliche Erschließung des Nordens Südkoreas beiträgt.
Wobei die Südkoreaner den Traum von der Wiedervereinigung anders als die Deutschen verwirklichen würden. Sie denken an einen längeren Prozess der Annäherung und Kennenlernens, sie sehen den Norden als Ergänzung zu ihrem Land.
Die Wahl der Gesprächspartner und die Interviewführung sind die großen Trümpfe des undogmatischen Films, der menschliche Nähe zu den gewählten Protagonisten schafft. Hier lag sicher der Fokus bei der handwerklich soliden Arbeit, bei der die Regisseurin Abstriche bei Kameraführung in Kauf nahm.
Die Jury verleiht PAJU – DIE INNERE TEILUNG einstimmig das Prädikat „wertvoll“.