Filmplakat: Outlier

FBW-Pressetext

Nur noch eine letzte Szene, dann kann Lilith ihren Romanhelden Spider O’Connell endlich sterben lassen. Zeit wird es – immerhin liegt auch Lilith schon lange in einer Krebsklinik und wartet auf den Tod, der ihrer Meinung nach schon viel zu lange auf sich warten lässt. Aber wie soll Lilith Spider bloß sterben lassen? Dass die quietschfidele Odamee in ihr Zimmer gelegt wird, macht es für Lilith nicht gerade einfacher, sich auf den Schreibprozess zu konzentrieren. Denn Odamee redet gerne und mag das Leben. Obwohl auch sie fürchten muss, es nicht mehr lange genießen zu können. In Martin Wallners neuem Film begegnen sich zwei wunderbare englische Schauspiel-Ladies auf Augenhöhe: Jean Marsh und Miriam Margolyes. Als Lilith und Odamee sind sie grandios in ihrer Gegensätzlichkeit. Jean Marsh spielt Lilith mit hochgezogenen Augenbrauen und einer herrlich bissigen Schärfe. Und Margolyes verleiht ihrer Odamee mit großen Augen Charme, Wärme und Liebenswürdigkeit. Ganz in der Tradition des britischen trockenen Humors ist es köstlich mitanzusehen, wie sich beide beschnuppern, annähern und lernen, der anderen genau das zu geben, was nötig ist, um mit den Problemen fertig zu werden. Immer wieder durchziehen Traumsequenzen über Spider O’Connells letztes Abenteuer den Film, die phantastisch gestaltet sind, schwarz weiß mit roten Highlights, die stilistisch an Comics und SIN CITY erinnern. Kunstvoll verweben diese Sequenzen sich mit der restlichen Fiktion, um am Ende eins zu werden. OUTLIER ist ein umwerfend gespielter, hervorragend geschriebener und inszenierter Kurzfilm und eine Verbeugung vor zwei ganz großen Schauspielerinnen.
Prädikat besonders wertvoll

Filminfos

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Die FBW-Jury hat dem Film das Prädikat besonders wertvoll verliehen.

Man nehme zwei großartige Schauspierlinnen, dazu eine Geschichte, die zwischen Realität und mehrfach gebrochener Fiktion schwebt, und schon hat man einige der Zutaten, die OUTLIER zu einem unterhaltsamen Kurzfilm machen. Jean Marsh, in Deutschland unter anderem durch „Upstairs Downstairs“ bekannt geworden, und Miriam Margolys (u.a. in „Harry Potter“ aufgetreten) spielen zwei ältere Frauen, die sich in einem Krankenhaus kennen lernen. Auf den ersten Blick könnten zwei Frauen nicht unterschiedlicher sein: da ist die elegante, schlanke, trotz ihrer fast 80 Jahre noch immer sehr schöne Schriftstellerin Lilith Winterbottom, die durch ihre Thriller berühmt wurde, und da ist die dicke, äußerlich lebenslustige und tief gläubige Odamee Marshall. Lilith leidet an Lungenkrebs und hätte laut ärztlicher Prognose schon längst tot sein müssen, schreibt aber fröhlich ihre starken Zigarillos rauchend an ihrem letzten Werk. Odamee hat Pankreaskrebs, will sich aber gottergeben in ihr Schicksal fügen. Nach anfänglichen Problemen finden die beiden Frauen in ihrer Angst vor dem Sterben, die jede auf ihre Art zu bewältigen versucht, dann doch zueinander und stützen sich in diesen schweren Momenten.
Erzählt wird diese Geschichte von Glauben und Zweifel, von Todesfurcht und Lebensmut mit einem wunderbar leichten, gelegentlich ironischen Humor. Sieht Odamee in ihrer Gläubigkeit ihre Zuflucht – sie bemalt im Krankenbett zur Ablenkung eine Muttergottesstatue nach der anderen – hat Lilith das Schreiben als ihre Flucht aus der Wirklichkeit gewählt und setzt mit ihren Büchern ihrem verstorbenen Sohn ein literarisches Denkmal. Manchmal darf dann auch die Fiktion die Wirklichkeit korrigieren, wie das in diesem Fall subtil gewagt wird. Eine gute Kamera, die vor allem starke Bilder vom Krankenhaus mit den fiktiven, an Comic-Verfilmungen erinnernden Orten des Thrillers konfrontiert, die beiden großen Darstellerinnen und die Dramaturgie, der Humor, die Phantasie, die Geschichte einer ungewöhnlichen Freundschaft angesichts des Todes und ein letztlich offenes Ende unter einem Dach vereinigt, machen aus diesem Kurzfilm ein kleines Kunstwerk, dem der Ausschuss einstimmig das höchste Prädikat zuerkannte.