Opera Glasses

Filmplakat: Opera Glasses

FBW-Pressetext

Das Opernhaus in Kyiv. Die ersten Gäste stehen ungeduldig vor der Tür, in Vorfreude darauf, dass der Zauber der Musik sie umschließt und ein unvergesslicher Abend beginnt. Im Opernhaus selbst hat der Abend längst begonnen. Und er ist weniger Zauber als Alltag. Die Mitarbeiterinnen an der Garderobe bereiten sich darauf vor, Mäntel entgegenzunehmen und Kleidermarken sowie, falls gewünscht, auch Operngläser auszugeben. Und dann heißt es warten. Warten, bis das Orchester den letzten Ton gespielt hat (manchmal pünktlich, manchmal mit Verspätung), warten, bis sich die Türen des ehrwürdigen Saals wieder öffnen und alle gleichzeitig bedient werden möchten. In ihrem Kurzdokumentarfilm OPERA GLASSES wählt die Regisseurin Mila Zhluktenko, die an der Hochschule für Fernsehen und Film in München studiert, eine ungewöhnliche Perspektive, indem sie die Welt der Oper aus dem Blickwinkel der dort arbeitenden Menschen präsentiert. Das Gefühl, das Zhluktenko und ihre Kamerafrau Rebecca Hoeft dabei erzeugen, wechselt dabei fließend von einer lgleichförmigen Lakonie hin zu unfreiwilliger Komik, wenn die Diskrepanz zwischen dem Ereignischarakter eines Opernabends und dem Arbeitsalltag deutlich wird. Ganz ohne Kommentar und mit einem sehr genauen Blick für die kleinen Momente des Lebens gelingt OPERA GLASSES eine filmisch kluge Milieustudie eines ganz besonderen Ortes.
Prädikat besonders wertvoll

Filminfos

Gattung:Dokumentarfilm; Kurzfilm
Regie:Mila Zhluktenko
Drehbuch:Mila Zhluktenko
Kamera:Rebecca Hoeft
Schnitt:Felicitas Sonvilla
Länge:24 Minuten
Produktion: Daniel Asadi Faezi, Hochschule für Fernsehen und Film München;
Förderer:HFF München

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Das Opernhaus in Kiew. Während draußen die ersten Gäste in der Kälte warten, machen sich drinnen die Garderobieren bereit: sie kleiden sich um, kämmen und schminken sich, hängen die Garderobenmarken auf, putzen und prüfen die Operngläser. Im Hintergrund probt das Orchester. Dann öffnen sich die Türen, und die Gäste fluten die Garderobe und die Gänge. Einige sind zu spät, um ihre Plätze im Parkett einzunehmen, und müssen anderweitig untergebracht werden. Während im Saal die Vorstellung läuft, ist im Foyer Warten angesagt. Mit Lektüre, Humor, Smalltalk und philosophischen Betrachtungen widersetzen sich die Frauen der Langeweile, wobei ihnen kein falscher Ton entgeht und genau registriert wird, wenn die Aufführung drei Minuten länger dauert als vorgesehen.

In ihrem kurzen Dokumentarfilm lädt uns Regisseurin Mila Zhluktenko ein zu einem Besuch der Oper von Kiew. Sie führt uns aber nicht in den großen Saal, und im Mittelpunkt stehen auch nicht die Künstlerinnen und Künstler auf der Bühne oder im Orchester. Der Fokus richtet sich ausschließlich auf die Gäste und die Beschäftigten im Foyer. Ihnen widmet sie ihre wohl komponierte Milieustudie, die viel aussagt über die Wertschätzung, die der Oper entgegengebracht wird. Menschen jeglichen Alters und unterschiedlicher Schichten der Bevölkerung kommen hier zusammen, um die Kunst und ein wenig auch sich selbst zu feiern. Im Publikum sind erstaunlich viele Kinder, die von ihren Eltern entsprechend eingestimmt werden, und sehr viele Frauen. Für sie alle wird das Foyer zur Bühne: Die Mäntel werden an der Garderobe abgegeben, die Straßenschuhe gegen Pumps getauscht, die Frisur nach einem prüfenden Blick in den Spiegel gerichtet. Es gibt die Zurückhaltenden und die Selbstdarsteller*innen, die in der Pause versiert für ihre Selfies posieren.

Die Frauen an der Garderobe werden von ihnen nicht wahrgenommen, haben aber ihrerseits alles im Blick. Ihr Einsatz kommt erst wieder am Ende der Vorstellung, wenn alle Gäste gleichzeitig nach ihren Mänteln verlangen. Zwischendurch besteht ihr Beitrag zum Gelingen des Opernabends im Warten, das sie routiniert absolvieren. Ihre lakonischen Kommentare oder bemerkenswerten Reflexionen zur Haartracht sowjetischer bzw. russischer Führer komplettieren die visuellen Eindrücke des Films. Regisseurin Mila Zhluktenko hat sich im Foyer und auf den Fluren der Oper sehr genau umgeschaut und umgehört und mit großer Sensibilität vielerlei akustische und visuelle Mosaiksteine zusammengetragen und zu einem facettenreichen Gesellschaftsbild montiert. Das ist ebenso unterhaltsam wie aufschlussreich, denn wie ein Opernglas, mit dem man das Geschehen auf der Bühne genauer sehen kann, schärft die Kamera von Rebecca Hoeft den Blick auf den Opernabend, der Kulturevent für die einen, Arbeitsalltag für die anderen ist.