Nichts als Gespenster

Kinostart: 22.11.07
2007
Filmplakat: Nichts als Gespenster

FBW-Pressetext

Der „Sound einer Generation“, eine erstaunlich feinfühlige Adaption von Erzählungen der Erfolgsautorin Judith Hermann. Geschichten über Reisen und Reisende, all die schönen Orte der Erde, im Gepäck aber Krisen und Frustrationen. Ein Suchen ohne Ziel, ein Reisen ohne anzukommen. Lebenssituationen eben. Nüchtern ist die Cinemascope Kamera, komplett komponiert die kluge Musik, mutig-beherzt die Regie (Martin Gypkens). Geradezu spektakulär ist das Ensemble der hier versammelten jungen Darsteller-Generation: von August Diehl bis Wilke Wotan Möhring, von Fritzi Haberlandt bis Jessica Schwarz.
Prädikat wertvoll

Filminfos

Kategorie:Arthouse
Gattung:Drama; Spielfilm
Regie:Martin Gypkens
Darsteller:Jessica Schwarz; August Diehl; Maria Simon; Brigitte Hobmeier
Drehbuch:Martin Gypkens
Weblinks:;
Länge:124 Minuten
Kinostart:22.11.2007
Verleih:Senator
Produktion: box! Film Hamburg, Marco Polo High Definition; Senator Film Produktion;
Förderer:FFA; MBB; MDM

Jury-Begründung

Prädikat wertvoll

Für Hellmut Karasek verkörpern Judith Hermanns Erzählungen „den Sound einer Generation“. Dieses Attribut trifft natürlich voll und ganz für ihren zweiten Erzählband „Nichts als Gespenster“ (2003) zu. Es sind Geschichten über Reisen und Reisende, die im Gepäck ihre Krisen und Frustrationen, die auf der Suche sind, aber selbst nicht wissen, wonach sie suchen. Im Prinzip Krankheitsbilder einer Generation.

Dieser Aspekt war für Regisseur Martin Gypkens bei seiner Adaption der Erzählungen auch der wesentlichste. Der „Sound einer Generation“ als Krisenbilder einer Generation. Ein Räume und Kontinenten überwindender Laborversuch ist das Konzept dieses Films. Das Entdecken fremder Länder und Orte bleibt Synonym für die Entdeckung des eigenen Ichs, für das kritische Hinterfragen des Eigenen. Die Ambivalenz von Krisen stets das innere Motiv.

In der amerikanischen Story des Films fällt die schöne Sentenz. „Das letzte Bild zu sein auf einem Film voller Gespenster.“ Der Film ist „voller Gespenster“!

Alle Figuren bleiben in einer merkwürdigen Labilität, wirken wie Phantome, die ihres festen Kerns beraubt. Infiziert von großer Gleichgültigkeit; man ist illusionslos geworden, unfähig zu intakten, tiefen Beziehungen, aber sehr fähig, sich Verletzungen zuzufügen. Umgetrieben von dem schnellen Genuß. Menschliche Beziehungen werden nach dem Nutzeffekt gewogen.

Das Irren durch Länder ist auch Ausdruck des Verlustes der Mitte, des moralischen Halts. Die Folien der einzelnen Geschichten sind alle ähnlich, auch wenn sie in ihren psychologisch-geistigen Konturen von doch sehr differenzierender Substanz. Neben der vielschichtigen, auch sozial relevantesten Amerikastory wirken die Jamaika-Story und auch die deutsche Erzählung wie Magerkost.

Martin Gypkens hat die Geschichten nicht ABC adaptiert, sondern verwebt und verknüpft, versucht sie variantenreich zu verschmelzen und im steten Wechsel aufzunehmen. Ein der Musik nachempfundenes Prinzip der Leitmotivik. Damit stellt sich der Film zweifellos einer hohen Schule der Komposition. Das ist anzuerkennen, auch wenn Defizite sichtbar werden. Manchmal bleibt es nur beim additiven Aneinanderfügen.

Ein beinahe schon spektakulärer Reiz des Films: Er ist auch die Anthologie einer Schauspieler-Generation, von August Diehl bis Wilke Wotan Möhring, von Fritz Haberlandt bis Jessica Schwarz.

Bemerkenswert bleibt das moralische Exempel von „Nichts als Gespenster“: Das Beschwören von Krankheitsbildern, um sie (vielleicht) zu bannen.