Nachmieter

Filmplakat: Nachmieter

Kurzbeschreibung

1945. Der Krieg ist vorbei, die Ländergrenzen werden neu bestimmt. Unterschlesien gehört jetzt auch zu Polen. Luisa und ihr Schwiegervater Arne bleiben als einzige in ihrer Straße zurück – versteckt im Keller, während oben eine polnische Familie bereits ihr neues Heim bezieht.
Prädikat wertvoll

Filminfos

Gattung:Drama; Kurzfilm
Regie:Marc Metzger
Darsteller:Alma Leiberg; Jens Weisser; Barbara Wysocka; Andrzej Makowiecki; Katinka Auberger; Wojciech Wysocki
Drehbuch:Jaroslaw Kaminski; Marc Metzger
Kamera:Matteo Cocco
Schnitt:Ulf Bremen; Marc Metzger
Musik:Olaf Taranczewski
Länge:31 Minuten
Produktion: Marc Metzger, Augenschein Filmproduktion; Orange Roughy Filmproduktion; Kunsthochschule für Medien Köln;
Förderer:BKM; Filmstiftung NRW; Kunsthochschule für Medien Köln

Jury-Begründung

Prädikat wertvoll

Eine Kleinstadt in Niederschlesien in den letzten Monaten des Zweiten Weltkrieges im Jahr 1945. Die deutsche Bevölkerung ist vor der anrückenden Roten Armee geflohen. Nur Luisa und ihr Schwiegervater Arne, Leiter des örtlichen Elektrizitätswerks, sind zurückgeblieben und haben sich im Keller versteckt. Da ziehen neue Bewohner ein: Tadeusz, ein ehemaliger Physiklehrer, der das Elektrizitätswerk übernehmen soll, und seine Tochter Agnieszka. Sie müssen feststellen, dass das Haus, das ihnen von der neuen polnischen Regierung zugewiesen wurde, nicht leer steht. Nach kurzer Irritation arrangieren sie sich und quartieren Arne und Luisa auf dem Dachboden ein. So kommt es zur Kohabitation auf Zeit in einer Region, die nicht mehr deutsch und noch nicht polnisch ist.

Marc Metzger behandelt in seinem Kurzfilm NACHMIETER ein wenig bekanntes Kapitel der jüngeren deutsch-polnischen Geschichte. Während weiter westlich der Zweite Weltkrieg noch tobte, befand sich Niederschlesien von Februar bis Juni 1945 bereits in einer Phase des Übergangs und des Bevölkerungsaustauschs. Die deutschen Bewohner waren geflüchtet, Vertriebene aus dem östlichen Teil Polens wurden angesiedelt. Das ging nicht ohne Friktionen vonstatten. Der Film macht diese unsichere und bedrückende Situation sehr gut deutlich, ohne direkt Schreckensbilder zu zeigen. Gefahr und Gewalt lassen sich durch Archivaufnahmen der zerstörten Städte und aus Gesprächsfetzen der Frauen auf dem Markt zu erahnen. Hier geht es eher um das Trauma, das alle Menschen befallen hat. Deutsche wie Polen wirken resigniert, kraftlos und teilnahmslos. Handelt es sich um „pflichtbewusste“ Deutsche, „gute“ Polen? „Warum schlafen sie dann in unseren Betten?“ Die alten Maßstäbe gelten nicht mehr, neue sind noch nicht entwickelt. „Die Bäume müssen beschnitten werden“, aber wer ist dafür zuständig? Die Verständigung ist nicht nur wegen der bestehenden Sprachunterschiede schwierig. Die Übersetzerin Krystyna versucht zwischen den Kulturen zu vermitteln. Und schließlich sind es die Frauen, die eine Ebene über die Kleider finden, die Luisa für Agnieszka ändert.

Die Schauspieler sind für diese Rollen gut ausgewählt. Sie agieren zurückhaltend und sehr glaubhaft. Die sorgfältige Ausstattung überzeugt mit stimmigen Interieurs und Kleidern. Dennoch ist es ein Film, der in seiner großen Kargheit fast dokumentarisch gestaltet ist. Knappe Zwischentitel vermitteln eine zeitliche und politische Orientierung. Die deutsch-polnischen Dialoge sind sehr sparsam eingesetzt. Durch Kamerafahrten und Schärfenverlagerungen werden feine Nuancen und kleine Veränderungen deutlich. Wenn schließlich im Monat Juni, nach Kriegsende, das Bild farbiger wird, wird auch deutlich, dass die Polen sich allmählich in die neue Umgebung eingewöhnt haben, während sie den Deutschen zunehmend fremd geworden ist.

So ist NACHMIETER ein äußerst ambitionierter Film, der den Zuschauer in seiner Kargheit an einigen Stellen in den Augen der Jury aber auch ein wenig ratlos hinterlässt, zumal die für die Zwischentitel gewählte schmale steile Schrift schwer lesbar ist.