Mutter

Kinostart: 29.09.22
VÖ-Datum: 15.09.23
2022
Filmplakat: Mutter

FBW-Pressetext

Acht Frauen und ein Gesicht: Der Film von Carolin Schmitz erzählt die Geschichten acht verschiedener Mütter und gibt ihnen mit Anke Engelke eine darstellerisch grandiose und unfassbar wandelbare Präsenz.

Mutter sein. Was heißt das eigentlich? Wie muss man sich fühlen, wenn man Mutter wird, welche Erwartungen hat man zu erfüllen? Und wo bleibt man selbst bei dieser „Rolle“, die einem die Natur, die Gesellschaft zuweist? Auf diese Fragen geben acht Frauen, die Mutter sind, Antworten. Sie erzählen ihre Geschichte, erzählen vom Mutterglück, aber auch vom Mutterfrust. Und sie erhalten ein Gesicht. Ein Gesicht, das ihnen durch eine Darstellerin gegeben wird: Anke Engelke.

Was Anke Engelke in Carolin Schmitz‘ Film MUTTER, der als Spiel zwischen Fiktion und Dokumentation angelegt ist, leistet, ist phänomenal. Während auf der Tonebene die Aussagen von den Frauen zu hören sind, spricht Anke Engelke im Playback lippensynchron das Gesagte nach. So verschmelzen die individuellen Erlebnisse, die nicht linear, sondern in loser Reihenfolge zu hören sind, zu einer vielschichtigen Einheit, zu einem Panoptikum der Eindrücke. Auf der Bildebene sieht man Engelke, die mit stoischer Ernsthaftigkeit, isoliert und konzentriert, ihren Alltag meistert. Frühstücken, bügeln, Autofahren, einkaufen, Wäsche waschen, Fenster putzen, Körperpflege – Engelke lässt diese Tätigkeiten ebenso routiniert ablaufen wie Theaterproben, Kostümwechsel, Auf- und Abschminken, Taxifahrten. Die Monotonie der einzelnen Sequenzen ermöglicht dem Zuschauenden die Konzentration auf die Aussagen der Mütter. Man spürt die große Sensibilität, mit der sich Schmitz auf die Interviewten eingelassen hat und so hinter das gesellschaftskonforme Konstrukt des „Mutterseins“ blickt. Mit kleinen Gesten, Veränderungen im Gesicht, Anspannung der Wangenknochen oder der Kopfhaltung, gelingt es Engelke, trotz der gleichförmigen Ruhe auch eine Varianz im Spiel erkennen zu lassen, dank der sie glaubhaft sowohl die Aussagen einer 70- als auch die einer 30-jährigen Mutter verkörpert. Kongenial gelingt es mit der Tonmischung, die Original-Atmo der Interviews mit der Atmo der einzelnen Spielsequenzen zu verbinden. So erschafft MUTTER ein filmisches Gesamtkunstwerk, das in seinen Gewerken einzigartig, besonders und in seiner Thematik zeitlos aktuell und relevant ist.

Filminfos

Gattung:Drama; Dokumentarfilm
Regie:Carolin Schmitz
Darsteller:Anke Engelke
Drehbuch:Carolin Schmitz
Kamera:Reinhold Vorschneider
Schnitt:Stefan Oliveira-Pita; Annett Kiener
Webseite:mindjazz-pictures.de;
Länge:88 Minuten
Kinostart:29.09.2022
VÖ-Datum:15.09.2023
Verleih:Mindjazz Pictures
Produktion: Sutor Kolonko e.K., WDR;
FSK:0
Förderer:DFFF; Film- und Medienstiftung NRW; HessenFilm und Medien; MOIN Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Das Thema Mutterschaft aus der Sicht von acht Frauen. Autorin und Regisseurin Carolin Schmitz wählte für sich die filmische Umsetzung dieses Themas die Hybrid-Form von inszenierter Dokumentation, allerdings bereichert mit einer bisher noch nie erlebten Besonderheit, ja Außergewöhnlichkeit: Anke Engelke allein gibt den acht Frauen die Gestalt und spricht ihre Erzählungen, wobei ihr jeweils acht Sprecherinnen lippensynchron die Texte im wahrsten Sinne des Wortes in den Mund legen.

Was erfahren, was hören wir? Bei allen Frauen ist der Kinderwunsch das wichtige Lebensthema, verbunden mit allen Fragen und Problemen, die das Leben einer Mutter mit Kindern bestimmen kann, ja muss. Ganz unterschiedlich dabei sind das Zusammenleben und ganz allgemein die Beziehungen zu den Vätern. Wir erfahren vom Mutterglück nach der Geburt, von Liebe, Freude und Sorgen für und mit den heranwachsenden Kindern. Wir erfahren von den Freiräumen, die sich Frauen nehmen (oder eben auch nicht) und voller Selbstbewusstheit die Betreuung der Kinder den Männern, Großeltern, Schwiegereltern zu überlassen wissen. Freiräume für die Erfüllung des eigenen Lebens. Dies alles sind erfrischend authentische und ehrliche, ja auch sehr intime Einblicke in die Rolle einer Mutter. Die historisch traditionelle und so selbstverständliche Mutterrolle als Mutterglück zu sehen, wird eindeutig gebrochen.

Ein sehr sorgfältiges Drehbuch gibt dem Film besonderen Reichtum durch die Wahl der verschiedenen Locations: Wir erleben Anke Engelke bei einem ganz gewöhnlichen Alltag zu Hause, bei Haushaltarbeiten, beim Essen, im Bad, beim Versorgen der Kaninchen, bei Entspannung und im Bett bei Nacht. Dann bei Autofahrten, beim Einkaufen, beim Zahnarzt, im Theater bei Kostümierung und Maske… Sie wirkt dabei immer kühl, streng, stark – das Leben immer voll im Griff – ein Stilelement der Dramaturgie. Ein besonderes Lob verdient die Bildgestaltung. Die Kamera folgt der Protagonistin in Groß- und Porträtaufnahmen perfekt, denn sie ist beständig dabei „in Sprache“. Die Montagearbeit kann man mit Fug und Recht als herausragend bezeichnen. Die Erzählungen der acht Frauen werden nicht linear dargebracht, sondern kunstvoll so ineinander verwoben, dass der Zuhörer immer die Zuordnung behalten kann. Die acht verschiedenen Stimmen nahezu lippensynchron und auch noch mit den unterschiedlichen Geräuschebenen zu mischen ist eine phantastische Tonleistung.

In Abwägung aller Argumente vergibt die Jury gerne das Prädikat BESONDERS WERTVOLL.