München

Kinostart: 26.01.06
2005
Filmplakat: München

FBW-Pressetext

Ist Gewalt eine Antwort auf Gewalt? Steven Spielbergs meisterhaft inszenierter Film mit Oscar-reifen Darstellern setzt sich mutig zwischen alle Stühle. Ein nachdenkenswerter, bewegender Film, absolut sehenswert.
Prädikat besonders wertvoll

Filminfos

Gattung:Drama
Regie:Steven Spielberg
Darsteller:Geoffrey Rush; Eric Bana; Daniel Craig
Drehbuch:Eric Roth; Tony Kushner
Weblinks:;
Länge:164 Minuten
Kinostart:26.01.2006
Verleih:Universal
Produktion: Universal Pictures, Inc.
FSK:16

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Der englische Begriff „Aftermath“ (das Nachwirken, die Nachwehen kriegerischer Ereignisse, ihre seelischen und politischen Kosten) hat keine richtige deutsche Entsprechung. Auch „Munich/München“ hat solch eine tiefe Bedeutung.

Keine einfachen Wahrheiten, keine plakativen Botschaften parat hat der verstörende, nachdenklich machende Film von Steven Spielberg über die Folgen des Massakers an israelischen Sportlern bei den XX. Olympischen Spielen in München 1972.
Über 30 Jahre nach München und in einer Zeit, in der Manche genau zu wissen scheinen, wo Gut und Böse hausen, wirft einer der erfolgreichsten und renommiertesten Regisseure der Gegenwart sein filmkünstlerisches wie kommerzielles Gewicht in die Waagschale und unternimmt es, Nachdenklichkeit und Innehalten einzufordern. Steven Spielberg, der es gewiß einfacher haben könnte, setzt sich damit zwischen alle Stühle. Er macht Standpunkte und Haltungen nachvollziehbar, er glättet nicht, und er macht deutlich, welche seelischen und politischen Verwüstungen Terror und Gegenterror anrichten.

Anhand der Vergeltungsmaßnahmen des israelischen Geheimdienstes Mossad an den Hintermännern der Geiselnahme in München wirft Spielberg die Frage auf, ob getreu dem alttestamentarischer Leitsatz „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ Gewalt mit Gegengewalt beantwortet werden kann oder soll. Der Protagonist seines Films (Eric Bana mit einer oscar-reifen Leistung), anfangs ein überzeugter Rächer, erfährt und erleidet die Folgen dieser alttestamentarischen Gerechtigkeit sozusagen am eigenen Leib. Getrennt von seiner Frau und seinem Kind, letztlich auch von seinem Land, und daher beinahe ebenso heimatlos wie die Palästinenser, stößt er an die Grenzen seiner Menschlichkeit. Die Dimension griechischer Trägödien und großer menschlicher Wahrheiten hat es, wenn solch ein Krieger mitten in der Schlacht den Frieden ersehnt. Spielberg findet überzeugende Bilder für diesen zerrissenen, gewaltgeschädigten Seelenzustand – etwa wenn Eric Bana in einer fremden Stadt vor dem Schaufenster eines Küchengeschäftes steht und in die Scheiben starrt, unendlich traurig, voller Sehnsucht, voller Heimweh.

„Heimat bedeutet alles“, sagt einmal ein Palästinenser in dem Film, der auch die Heimatlosigkeit und das Recht auf ein sicheres, friedliches Zuhause zum großen Thema hat.
„Wo soll es enden? Wie soll es enden?“, heißt es über die Spirale der Gewalt. Der Titelvorspann zeigt - als sei es eine riesenhafte Schlachten-Gedenktafel, den Namens-Inschriften am Vietnam-Memorial in Washington oder anderen Gedenkstätten nachempfunden - eine Vielzahl von nebeneinander stehenden Ortsnamen. Der Name „München“ tritt dann hervor, wird zum Angelpunkt einer beeindruckenden filmische Zeitreise durch die Geschichte des politisch motivierten Terrors und der Terrorbekämpfung der siebziger Jahre. Spätestens, wenn am Ende dann die Kamera über Manhattan und die damals noch stehenden Twin Towers des World Trade Centers in New York schweift, verweist der Film in die Gegenwart und auf den gegenwärtigen, weltpolitischen Zustand. Die Spirale der Gewalt ist ungebremst. „München“ hallt wahrhaft lange nach.

Spielbergs filmisches Handwerk knüpft in „München“ nahtlos und meisterlich an seine früheren Werke wie zum Beispiel „Schindlers Liste“ an. Die Ausstattung - von Frisuren, Hemden, Tapeten, Autos bis hin zu ganzen Straßenzügen – ist perfekt, ohne vordergründig ausgestellt zu werden. Musik und Schnitt sind unauffällig und gekonnt, hochprofessionell. Das internationale Darstellerensemble (nur drei Amerikaner unter rund 170 Rollen) beeindruckt rundum. Moritz Bleibtreu und, in einer der Hauptrollen, der überraschend physische Hanns Zischler, machen eine überaus gute Figur.

Kriegsfilm und Thriller, Kammerspiel und purer Suspense, Ehedrama und Männerepos – mühelos mischt Spielberg die Genres. Intensiv, aufregend und manchmal nervenzerfetzend sind die Szenen, aber niemals Selbstzweck. Eine tiefgründige Ernsthaftigkeit liegt über dem Film, ein flammendes, großes, heiliges Anliegen: Es geht um Humanität.