Meine Mutter, mein Bruder und ich

Kinostart: 01.05.08
2007
Filmplakat: Meine Mutter, mein Bruder und ich

FBW-Pressetext

Einen würdigen Nachfolger für den besucherstarken Überraschungsfilm „Wer früher stirbt, ist länger tot“ hat hier der Movienet-Verleih an der Hand: wieder ist es die bayerische Provinz, aber mit multikulturellem Hintergrund. Zwischen zwei Welten leben (müssen) zwei ungleiche armenische Brüder, beide wollen sie ihrer traditionsverbundenen Mutter den letzten Wunsch erfüllen. Das ist hinreißend, sinnlich, situationskomisch und -traurig inszeniert, genau beobachtet, meisterhaft und mit leichter Hand erzählt.
Prädikat besonders wertvoll

Filminfos

Kategorie:Arthouse
Gattung:Drama; Spielfilm
Regie:Nuran David Calis
Darsteller:Erhan Emre; Kurt Ipokkaya; Lida Zakaryan; Mria Bartuschek
Drehbuch:Nuran David Calis
Länge:102 Minuten
Kinostart:01.05.2008
Verleih:Movienet
Produktion: die film gmbh
FSK:6
Förderer:FFA; FFF Bayern

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Wenn man seine Vergangenheit nicht kennt, kann man seine Zukunft nicht erkennen, sagt Areg, als er erkennt, dass es nicht reicht, die neue Heimat Deutschland mit aller Kraft anzunehmen. Er muss auch seine armenischen Wurzeln akzeptieren. Aber bis er diese Erkenntnis aussprechen kann, muss er einiges an Erfahrung und Kraft aufwenden.

Seine Mutter Maria und sein kleiner Bruder Garnik unterstützen seine Pläne, in Deutschland Fuß zu fassen und ein berühmter Filmregisseur zu werden, nicht gerade mit Überzeugung, ja sie sabotieren sie sogar. Während der Einser-Schüler Garnik seine Mutter sprachlich schützt, weil sie sich weigert, Deutsch zu sprechen, und in kindlich-naiver Art davon träumt, in Armenien einen Goldschatz zu finden, bemüht sich Mutter Maria bei jedem Besuch Aregs, den erstgeborenen Sohn von armenischem Essen, armenischen Bräuchen und vor allem von einer armenischen Braut zu überzeugen. Zu allem Unglück ist Maria schwer zuckerkrank und muss immer wieder ins Krankenhaus.

Im wie beiläufig erzählten Alltag von Areg werden die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der beiden Kulturen deutlich. Areg, der als ältester Sohn seine verwitwete Mutter nach Kräften unterstützt, importiert zum Beispiel einen Grabstein für seinen Vater aus Armenien und muss dann erleben, dass die deutsche Friedhofsverwaltung nur Steine akzeptiert, die vom ansässigen Steinmetz stammen. Eine Szene, in der die beiden Brüder die Mutter an ihrer Putzstelle vertreten und nur dank Aregs Schauspielkünsten nicht enttarnt werden, charakterisiert meisterhaft gesellschaftliche Klischees - ohne aufgesetzt oder überzogen zu wirken.

In vielen kleinen Nebenhandlungen gelingt es dem detailreichen und sinnlichen Film, sich zu weiten und ein ganzes Panorama von Charakteren und Verhaltensweisen zu zeigen. Der Film wird glaubwürdig durch seine Perspektivenverschiebungen, er erklärt seine Figuren nicht, sie erklären sich durch ihr Handeln.

Das alles ist genau beobachtet und einfühlsam in Szene gesetzt, nie wird die Komik grell, der Spaß auf Kosten anderer gemacht. Auch die armenischen Verwandten, die eine für die Mutter inszenierte Oscar-Verleihung mitfeiern, sind ganz bei der Sache, weil sie wissen, dass die Mutter diese Ermutigung braucht. Als schließlich der Asylantrag genehmigt und das Bleiben gesichert ist, können die drei schließlich doch den Heimweg nach Armenien antreten, begeben sie sich auf eine Reise in ihre Vergangenheit und der Regisseur schafft es, die bis dahin teilweise satirische und komödiantische, in der Realität zwischen Studentenbude und Asylbewerberheim angesiedelte Geschichte in ein Märchen zu verwandeln, in dem Maria ihre Ruhe, Garnik das Gold und Areg seine Zukunft findet.