Mein Führer - Die wirklich wahrste Wahrheit über Adolf Hitler

Kinostart: 11.01.07
2006
Filmplakat: Mein Führer - Die wirklich wahrste Wahrheit über Adolf Hitler

FBW-Pressetext

Künstlerische Courage beweist Dany Levy mit seinem riskanten Film, in dem die ungleichen Schauspieler Ulrich Mühe und Helge Schneider sich ideal und sehenswert ergänzen. Das ist irreal-absurd, paradox und provokant, schrecklich komisch und schrecklich ernst. Fürchterlich – zum Lachen. „Der Führer braucht Sie, nehmen Sie die Endlösung nicht persönlich“, sagt Goebbels zu dem jüdischen Schauspieler, der aus dem KZ geholt, Hitler zur Endkampf-Rede motivieren soll.
Prädikat wertvoll

Filminfos

Gattung:Drama; Komödie; Satire
Regie:Dani Levy
Darsteller:Ulrich Mühe; Katja Riemann; Helge Schneider; Sylvester Groth
Drehbuch:Dani Levy
Weblinks:;
Länge:95 Minuten
Kinostart:11.01.2007
Verleih:X Verleih
Produktion: X Filme Creative Pool GmbH
FSK:12

Jury-Begründung

Prädikat wertvoll

Der Film „Der Untergang“ war für Dani Levy eine „Obszönität“. Jetzt wird sein Film „Mein Führer“ auch als „komisch-subversive Antwort“ auf „Der Untergang“ bezeichnet. Dies aber ist eine etwas zu griffige Medienformel, die dem Anspruch und auch der Problematik des neuen Films von Dani Levy nicht gerecht wird.

Relevanter ist der Bezug zum Tucholsky-Zitat „Küsst die Faschisten, wo ihr sie trefft“ und das darin enthaltene Bekenntnis zum Stilmittel des Paradoxon.

Eingangs reflektiert Grünbaum (alias der Autor des Films): „Meine Geschichte ist so wahr, dass sie vielleicht nie in einem Geschichtsbuch auftreten wird.“ Diese „wahre“ Geschichte kreist um Goebbels Idee, den jüdischen Schauspieler Adolf Grünbaum aus dem KZ Sachsenhausen in die Reichskanzlei zu holen, damit er mit Hitler eine Rede einstudiert, die zum Endsieg animieren soll: „Der Führer braucht Sie, nehmen Sie die Endlösung nicht persönlich.“

Der Film „Mein Führer“ ist ein ehrgeiziges Bekenntnis zur Groteske, zum Erzählen in Paradoxien. Paradoxe, irreal-absurde Konstellationen und Situationen werden entworfen, um zu provozieren. Eine Provokation zum produktiven Widerspruch.

Das ist jederzeit und vollkommen legitim. Levy gebührt dafür nachdrücklich Anerkennung. Und zwar auch explizit für seine künstlerische Courage, für das Beschreiten eines ihm sicher jederzeit bewussten schmalen Grates.

Diese Gratwanderung freilich ist nach Ansicht der FBW-Jury allerdings nicht immer geglückt. Die Groteske, das Paradoxe wirkt dort stimmig, wo es bis zum Äußersten ausgereizt erscheint, bis zum tatsächlichen oder vermeintlichen „Tabubruch“, etwa des Führers Flehen an Grünbaum „Heilen Sie mich!“, sein Aufschrei „Ich will meinen Juden haben“, und anderes. Gelungen auch dort, wo die Groteske jäh in die tragische Dimension umschlägt.

Defizite gibt es immer dann, wenn sich der Vorgang zum Panoptikum verengt und auch die Trennlinie zur Klamotte überschritten wird.

Dani Levy vertraut nach Ansicht der FBW-Jury auch zu wenig der Radikalität seines grotesken Entwurfs, mindert ihn ab durch eine Fülle erklärender oder kommentierender Passagen (bis hin zu den heutigen Statements im Abspann). Da schimmert Unsicherheit hindurch, ungenügendes Zutrauen in die eigene Provokation, Unsicherheit auch in die Wirkungen beim Zuschauer.

1938 hat Thomas Mann in seinem Essay „Bruder Hitler“ geschrieben: „Der Bursche ist eine Katastrophe; das ist kein Grund, ihn als Charakter und Schicksal nicht interessant zu finden.“ Levy versucht zu Recht auch diese Gratwanderung, auch ganz im Einklang mit anderen Kriterien Thomas Manns, den Motiven der „Verhunzung“ und der „schändlichen Pathologie“.

„Mein Führer“ ist so ein Film geworden, der natürlich auch mit dieser Erzählform sich in „große Schuhe“ der Filmgeschichte begibt, denken wir an Chaplin oder Lubitsch, aber auch an Mel Brooks und Alexander Sokurov („Der Moloch“).

Es ist gut, diese Annäherung gewagt zu haben!