Filmplakat: Marine Target

FBW-Pressetext

Wie in einen unerbittlichen Sog zieht MARINE TARGET von Lukas Marxt in seinen Bann und lässt erst wieder los, als es zu spät ist. Quasi belanglos erscheint das, was sich dort vor dem Kameraauge abspielt – eine Technologieruine im Nichts. Aber es stellt sich heraus, dass es viel mehr als das ist: ein Zeugnis, ein Mahnmal, ein Horror der Geschichte, der in einem überaus gekonnt evozierten Unbehagen, fabelhaft unterstützt durch sirenenhaft fluide Musikgeschwindigkeiten, gipfelt. Dabei gelingt es Marxt, den Film zu einem Kontrast in sich selbst werden zu lassen. Der ganze Film erscheint wie eine Versuchsanordnung wie schon der Eingriff des Menschen in die Natur des sich in den USA befindlichen Salton Sea, wo die Technologieruine als Fremdkörper aus dem glitzernden Wasser ragt. Gleichzeitig erlaubt MARINE TARGET einen poetischen Blick auf die Natur, die sich den Nicht-Ort im Laufe der Jahrzehnte langsam zurückerobert haben muss, aber inzwischen nicht mehr als trockene Zweige und verlassene Vogelnester ist. Der große Knall kommt bekanntlich zum Schluss. Ein außergewöhnliches Filmexperiment, das Unbehagen auslöst, aber gleichzeitig mit jedem Bild mehr Spannung aufbaut.
Prädikat besonders wertvoll

Filminfos

Gattung:Dokumentarfilm; Experimentalfilm; Kurzfilm
Regie:Lukas Marxt
Drehbuch:Lukas Marxt
Kamera:Lukas Marxt
Schnitt:Lukas Marxt
Musik:Marcus Zilz
Webseite:sixpackfilm.com;
Länge:9 Minuten
Verleih:sixpackfilm
Produktion: Lukas Marxt
Förderer:Kunststiftung NRW

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Auf den ersten Blick wirken die ersten Bilder dieses Kurzfilms beinahe wie ein abstraktes Kunstwerk. Umgeben von einer glitzernden und gleißenden Oberfläche nähert sich die Kamera aus der Vogelperspektive (oder treffender noch, wie es im Englischen heißt, aus dem Blickwinkel Gottes - „God’s view“) einem seltsamen Objekt, das sich inmitten des Salton Sea, des größten Binnengewässers im Bundesstaat Kalifornien, befindet. Mit der Zeit und beim Näherkommen lösen sich die abstrakten Muster auf, werden konkreter und nehmen Gestalt an und man erkennt eine zusammengezimmerte Plattform, sichtlich in die Jahre gekommen und offensichtlich mit einigen primitiven Messgeräten ausgestattet.

Lukas Marxts Film wirkt bisweilen fast eher wie eine Kunstinstallation für den musealen Raum - und das spricht nach Meinung der Jury durchaus für dessen filmische Qualitäten. Die formal kühne Gestaltung und die Tonebene entwickeln solch einen Sog, dass man sich durchaus auch vorstellen kann, dass dieser Film auch auf einem Monitor funktioniert. Dazu passt auch, dass es sich bei MARINE TARGET um den Teil eines Zyklus handelt, der andere Schauplätze atomarer Übungen aufsucht und auf ähnliche Weise vermisst. Begleitet wird die tranceartige Bildmontage von einem ebenso beklemmenden Soundtrack, der in dem zunehmend verfremdeten Song „Atom Bomb“ des nigerianischen Musikers William Oneyabor besteht. Obwohl die erklärende Voice-Over-Stimme, die dieses merkwürdige Objekt historisch einordnet und erklärt, dass mit Hilfe solcher Objekte in den Jahren 1944 und 1945 der Abwurf der Atombomben mit Attrappen geprobt, erst spät einsetzt, stellt sich doch beim Publikum viel früher ein Gefühl des Unbehagens und der Neugier ein, was es mit diesem Ort auf sich haben könnte - zumal ja bereits der Filmtitel einen Hinweis gibt und auch beim Score bereits am Anfang mehrmals gut verständlich „Atomic Bomb“ zu hören ist.

Die Jury der FBW zeigte sich beeindruckt vom Form- und Gestaltungswillen des Films und von der Konsequenz, mit der sich der Filmemacher diesem Nicht-Ort annähert und ihn, den vermutlich seit Jahrzehnten niemand mehr gesehen hat, sichtbar macht. Die Schrecken der atomaren Vernichtung und die tödliche Logik des Kalten Krieges und der Abschreckung mittels eines verlassenen künstlichen kleinen Eilands zu erzählen - auf diese Idee muss man erst einmal kommen. Und diese Idee dann noch so gekonnt umsetzen, wie dies Lukas Marxt mit seinem Film gelang.

Die Jury der FBW entschied sich für die Erteilung des Prädikats BESONDERS WERTVOLL.