Maradonas Beine

Filmplakat: Maradonas Beine

FBW-Pressetext

Palästina, 1990: Die beiden Brüder Rafat und Fadel sind eingefleischte Fußballfans und mit Feuer und Flamme dabei, ihr Sammelalbum mit Fußballbildern zu bekleben. Ein besonderer Ansporn, das Album zu beenden, ist der Gewinn einer Spielkonsole, die sich die beiden Brasilien-Anhänger schon so lange wünschen. Um dieses Ziel zu erreichen, fehlt ihnen nur noch ein einziges Bild: Die Beine des argentinischen Spielers Maradona. Doch keiner im Dorf scheint das Bild zu haben. Oder etwa doch? Auf den ersten Blick erzählt der Filmemacher Firas Khoury in MARADONAS BEINE eine autobiografische Geschichte über die Liebe zweier Jungs zum Fußball. Doch eigentlich, und das webt Khoury immer wieder subtil in die Handlung ein, geht es auch um sozio-politische Hintergründe. Denn Palästina war auch und gerade zu dieser Zeit im Zentrum politischer Unruhen. Die Welt, in der Rafat und Fadel leben, steht vor einem Umbruch. Doch für die Jungs, die von Faris Abbas und Ayoub Abu Hamad mit entwaffnender Natürlichkeit gespielt werden, ist der Fußball ihre ganze Welt. Er ist ein Rettungsanker vor der Politik, die sie noch nicht verstehen, und der Realität, für die sie nichts können. Der Film bleibt authentisch in der Erlebniswelt der Kinder. Die Kamera lässt die Einstellungen lange stehen und schafft so, trotz der Lebendigkeit der Jungs, eine Ruhe, die es auch dem jüngeren Publikum erlaubt, in die Geschichte einzutauchen. Dass die Geschichte bis zum Schluss spannend und mitreißend bleibt, liegt auch an der gut strukturierten Dramaturgie des Drehbuchs. Ein kleiner und doch ganz großer Film über die Liebe zum Fußball.
Prädikat besonders wertvoll

Filminfos

Gattung:Spielfilm; Kinderfilm; Kurzfilm
Regie:Firas Khoury
Darsteller:Faris Abbas; Ayoub Abu Hamad; Ali Suliman
Drehbuch:Firas Khoury
Kamera:Christian Marohl
Schnitt:Heike Parplies; Marwen El-Hechkel
Musik:Faraj Suleiman
Länge:23 Minuten
Produktion: schaf oder scharf film Zorana Musikic, Odeh Films;
Förderer:MBB; Robert Bosch Stiftung

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Die Fußball-WM 1990 dürfte einem deutschen Publikum vor allem wegen des Gewinns der Trophäe durch die deutsche Fußballnationalmannschaft der gerade erst wiedervereinigten Bundesrepublik in Erinnerung geblieben sein. Firas Khoury erzählt in dem deutsch-palästinensischen Kurzfilm MARADONAS BEINE die Geschichte der WM durch die Augen zweier Jungs aus Palästina und bringt das globale Sportereignis in Zusammenhang mit der ersten Intifada, die sich von 1987 bis 1993 im Westjordanland und dem Gazastreifen ereignete.

Geschickt verflicht der Film die Lebenswelt des 11-jährigen Rafat und des 7-jährigen Fadel, die beide von ganzem Herzen und aus tiefster Überzeugung Anhänger der brasilianischen Nationalmannschaft sind. Und sie sind - wie viele ihrer Altersgenossen rund um den Globus begeisterte Sammler der WM-Alben, bei denen es darum geht, durch geschicktes Tauschen der Bilder alle Mannschaften komplett zu haben. Das zentrale Bild des größten Spielers des damaligen Turniers ist natürlich das von Diego Armando Maradona, der als Centerfold das Herzstück des Albums bildet. Eigentlich fehlen Rafat und Fadel nur noch die Sticker mit den Beinen von Maradona, dann winkt ihnen der Hauptpreis in Form einer Atari-Spielekonsole. Doch gerade dieses Element erweist sich als kaum aufzutreiben, bis sie doch auf die Spur des kleinen Schatzes gelangen. Und dann kommt doch alles anders.

In ruhigen, langen Einstellungen, die die sommerliche Lebenswelt der Kinder und das langsame Verrinnen der Zeit pointiert und nicht ohne Humor einfangen, entwickelt Firas Khoury einen genauen, empathischen Blick auf das Denken und Fühlen seiner kleinen Protagonist*innen und erinnert an manchen Stellen an den leisen Humor und die fein austarierte Balance zwischen Ernsthaftigkeit und Leichtigkeit des großen palästinensischen Regisseurs Elia Suleiman. Wie jener verknüpft auch Firas Khoury kluge Alltagsbeobachtungen mit behutsamen Einschüben der großen Weltpolitik, die sich hier vor allem über das Radio überträgt, bei dem sich Spielberichte der WM-Spiele mit Aufrufen, sich dem Aufstand anzuschließen, abwechseln. Dennoch bleibt der Film seinen kleinen Helden stets treu und verliert niemals aus den Augen, welche Lektion sie durch die WM mit auf dem Weg bekommen - dass Freundschaft und Loyalität ein hohes, vielleicht sogar das höchste Gut sind. Auch und gerade, wenn es mal im Leben wie auf dem Fußballplatz nicht so läuft wie gewünscht.-

Die Jury der FBW erteilte dem Film einstimmig das Prädikat „besonders wertvoll“.