La Strada - Das Lied der Straße

Kinostart: 28.08.56
1954
Filmplakat: La Strada - Das Lied der Straße

Kurzbeschreibung

Ein rabiater Jahrmarktsgaukler, der keine menschliche Beziehung eingehen kann, kauft sich ein Mädchen und erschlägt den Mann, den sie liebt.
Prädikat besonders wertvoll

Filminfos

Gattung:Drama; Spielfilm
Regie:Frederico Fellini
Darsteller:Anthony Quinn; Giulietta Masina; Richard Basehart
Drehbuch:Frederico Fellini; Tullio Pinelli
Kamera:Otello Martelli
Schnitt:Leo Cattozzo
Musik:Nino Rota
Länge:102 Minuten
Kinostart:28.08.1956
Verleih:Constantin Film Verleih GmbH
Produktion: , Ponti / De Laurentiis S.p.A.
FSK:16

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Bitte beachten Sie, dass es sich bei untenstehendem Gutachten um einen Text aus dem Jahr 1957 handelt. Das Gutachten wurde seinerzeit von einer unabhängigen FBW-Jury verfasst, was auch heute noch der Fall ist. Bei dem Gutachten handelt es sich um ein filmhistorisches Dokument, das aus dem Geist seiner Zeit formuliert wurde. Es kann Gedanken und Formulierungen enthalten, die aus heutiger Sicht absolut inakzeptabel sind. Aus Gründen demokratischer Transparenz veröffentlicht die FBW das Gutachten als ein zeitgeschichtliches Dokument an dieser Stelle vollständig und ungekürzt.

Der Bewertungsausschuß hat dem Film das Prädikat „besonders wertvoll“ verliehen. Er ist sich dabei bewußt, daß ein Prädikat – wie immer es auch lauten mag – dem hohen und im gewissen Sinne einmaligen Rang des Films nicht gerecht werden kann.
Der Film erzählt die Geschichte von zwei Menschen. Er tut es in einer Weise, die alles auf das Einfachste zurückführt. In der Gestalt der Gelsomina wird die Beschränktheit des ungewöhnlichen Mädchens zum Bilde einer höchsten Einfachheit des Menschlichen überhaupt. In der Gestalt des Zampano wird die dumpfe Brutalität des Mannes zum Ausdruck der tiefsten Unerlöstheit und Erlösungsbedürftigkeit des Menschen überhaupt. Die Besonderheit aber besteht darin, daß diese Einfachheit nicht die der primitiven Anfänglichkeit ist, sondern die der höchsten Differenziertheit. Die Liebe und die Erlösungsmächtigkeit sind ebenso wie die Bosheit und die Erlösungsbedürftigkeit durch diesen Film im wörtlichen Sinne „ent-wickelt“. Die Handlung des Films besteht eigentlich in nichts anderem, als daß Gelsomina bei Zampano bleibt. Dann kommt die Katastrophe. Gelsomina wird aus einer Liebenden zu einer Richterin. (Daran stirbt sie.) Zampano ist gerichtet. Er versucht, dem Gericht zu entgehen, indem er sich davonstiehlt. Aber – um in der genial abkürzenden Bildsprache des letzten Filmteils zu reden – das Gericht ereilt ihn schnell. Die Geschichte erscheint episch; die Dramatik ist untergründig. Die Dynamik in der Entfaltung der Handlung übernimmt – und darin erweist sich Fellinis Werk als spezifisch filmisches Kunstwerk – die Kamera. In einer nahezu unfehlbaren Treffsicherheit fängt sie Gesichter und Landschaften ein und verbindet je menschliche Gestalt und Landschaft zu einer Einheit, in der sich beide Elemente gegenseitig interpretieren. Dabei bleiben Kamera und Schnitt realistisch. Doch dieser Realismus ist durch und durch transparent. Gerade dort, wo die Realistik am härtesten ist, hat die Kamera die größte Kraft, über die vordergründige Trostlosigkeit hinaus die im menschlichen Schicksal waltenden Mächte gegenwärtig zu machen. Das Werk Fellinis ist von solcher geistiger Kraft und Konsequenz, daß der Gedanke an ein Pathos in Bild oder Wort gar nicht kommen kann. Es ist durch und durch Wirklichkeit; nur eben die volle Wirklichkeit. Was sonst gesondert und ideologisch aufbereitet angeboten wird: Profanität oder christliche Existenz, soziales Elend oder Gerechtigkeit, Moralität oder Verbrechen, Erde oder Himmel ist in diesem Film zu einer Wirklichkeit integriert. Dieser Anspruch findet in der Darstellung der Gelsomina durch Giulietta Masina seine Erfüllung. Sie erweist aufs neue, daß der große Film des großen Schauspielers bedarf. Masina stellt den Menschen schlechthin dar. Kennzeichnend dafür mag sein, wie in ihrem Gesicht Weinen und Lachen, Unruhe und Ruhe, Hilflosigkeit und Kraft zugleich aufscheinen.
(Krings)