Filmplakat: Kursdorf

FBW-Pressetext

Kursdorf ist eine idyllisch gelegene Ortschaft am westlichen Rand von Sachsen, sorgsam umschlossen von den beiden Start- und Landebahnen des Flughafens Leipzig-Halle, einer ICE-Strecke und dem Schkeuditzer Autobahnkreuz. Michael Schwarz findet in seinem Kurzdokumentarfilm interessante Gesprächspartner und porträtiert auf berührende Weise den Verfall des sächsischen Örtchens und den schmerzhaften Verlust von Heimat für dessen Bewohner. In langen Einstellungen von verlassenen Häusern und zerfallenen Straßen beschreibt der Film die Situation der Einwohner, deren Arbeit und Leben eng mit dem Flughafen verbunden ist und die weder mit noch ohne ihn können.
Prädikat besonders wertvoll

Filminfos

Gattung:Dokumentarfilm; Kurzfilm
Regie:Michael Schwarz
Drehbuch:Michael Schwarz
Kamera:Alexander Griesser
Schnitt:Michèl Hammann
Webseite:nachtschwaermerfilm.de;
Länge:15 Minuten
Produktion: nachtschwärmerfilm Film- und Fernsehproduktion Michael Schwarz
Förderer:Kunsthochschule Mainz

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Gänzlich umschlossen von den Anlagen des Flughafens Leipzig/Halle, den Autobahnen A 14 und A 9 und der ICE-Neubaustrecke Erfurt-Leipzig/Halle liegt der Ort Kursdorf im Norden Sachsens. Von knapp 300 Einwohnern, die früher hier lebten, sind nur noch 30 übrig geblieben. Alle anderen sind im Zuge des Flughafenausbaus weggezogen. Mit 100 Flugbewegungen täglich zählt Leipzig/Halle zwar nicht zu den betriebsamsten Flughäfen Deutschlands, aber aufgrund eines nur partiellen Nachtflug-Verbots ist er ein wichtiges Fracht- und Militärdrehkreuz mit erheblicher Schadstoff- und Lärmbelästigung. Der Film zeigt Lärmschutzwände, verlassene Häuser, ein baufälliges Schwimmbad, Impressionen eines von Menschen verlassenen Ortes. Geblieben sind die, die sich zu alt zum Weggehen fühlten, oder die, die hier immer noch einer Arbeit nachgehen. Der wichtigste Arbeitgeber ist der Flughafen, und auch viele von denen, die weggezogen sind, kommen täglich nach Kursdorf zurück, um hier zu arbeiten. Im Kontrast zu den verlassenen Einfamilienhäusern und Gärten steht die gigantische Architektur des Flughafens und des ICE-Bahnhofs: modern, zweckmäßig, sauber – aber meist ebenso menschenleer wie der zerfallende Ort Kursdorf.

Impressionen des Ortes und kurze Statements der Kursdorfer Bewohner und Anrainer führen in die Thematik ein, einige von ihnen kommen anschließend ausführlicher zu Wort. Sie werden an ihrem Arbeitsplatz am Flughafen, im Hotel, in der Autowerkstatt oder in der Gärtnerei gezeigt und berichten von ihrer Situation und ihren Empfindungen. Während der Gärtner den Klageweg beschritten hat, weil er nicht weichen und seine Erwerbsgrundlage verlieren will, haben die übrigen sich wohl oder übel mit den Bedingungen arrangiert: Einige sind im Ort geblieben, andere kommen nun jeden Tag von außerhalb hierher zur Arbeit. Die Motivation für beide Entscheidungen ist menschlich verständlich, und schmerzlich wird das besondere Dilemma der Kursdorfer bewusst: Der Flughafen bedeutet Gedeih und Verderb. Einerseits hat er ihre Heimat und damit ihre Existenz zerstört, andererseits bietet er ihnen Arbeit und sichert wiederum ihre Existenz.

KURSDORF ist ein beobachtender Dokumentarfilm, der gänzlich der Kraft seiner Bilder und seinen Interviewpartnern vertraut und auf Kommentar, Musik sowie erläuternde Unter- oder Zwischentitel verzichtet. Der Ausschuss hat ausführlich darüber diskutiert, ob dies dem Thema angemessen ist, oder ob eine weitere Informationsebene notwendig sei. Dabei kam er zu dem Schluss, dass Michael Schwarz mit KURSDORF ein atmosphärisch dichter Film gelungen ist, der sowohl die Gigantomanie und Absurdität der verkehrspolitischen Planung als auch die Empfindungen der davon betroffenen Menschen deutlich macht. Dies gelingt ihm durch die sehr gute Auswahl der Protagonisten und vor allem durch die gekonnte Gestaltung und Montage der Bilder. Streng komponierte, formale und ruhige Einstellungen kontrastieren dabei den ausgestorbenen Ort mit dem High-Tech-Flughafen, der völlig überdimensioniert und ebenso menschenleer erscheint wie Kursdorf. Bilder sprechen hier mehr als Worte. Indem sich der Film jeder vordergründigen Wertung enthält, fordert er den Zuschauer auf, seine eigenen Schlüsse zu ziehen. Der Wunsch, noch mehr zu erfahren und die Protagonisten noch näher kennen zu lernen spricht letztendlich für den Film, dem es in seiner Kürze von 15 Minuten gelungen ist, Interesse zu wecken, und vielfältigen Diskussionsstoff zu liefern.