Kriegerin

Kinostart: 19.01.12
VÖ-Datum: 09.10.12
2011
Filmplakat: Kriegerin

FBW-Pressetext

Die 20jährige Marisa gehört zu einer rechtsradikalen Jugendclique in einer ostdeutschen Kleinstadt. Ihr Leben ist geprägt von Orientierungslosigkeit. Nur zu ihrem kranken Opa hat sie noch wirklich Vertrauen. Als die Gewalt ihrer Clique gegen Unschuldige immer stärker eskaliert, beginnt Marisa ihre bisherigen Überzeugungen zu hinterfragen. Der Abschlussfilm von David Wnendt beeindruckt vor allem durch seine starken weiblichen Protagonistinnen. Alina Levshin als Marisa und Jella Haase als Svenja liefern eine grandiose darstellerische Leistung, die den inneren Kampf zwischen Hass, Hilflosigkeit und der Suche nach Halt reflektiert. Die Inszenierung ist beängstigend authentisch, vor allem durch die Fokussierung auf die Dynamik innerhalb der Clique, die politikentleert ihren Zusammenhalt durch rechtsradikale Symbole sucht. Viele subtile Andeutungen lassen Raum für eigene Schlüsse. Kraftvoll und beängstigend nah – ein wichtiger deutscher Film.

Filminfos

Gattung:Drama; Spielfilm
Regie:David Wnendt
Darsteller:Alina Levshin; Sayed Ahmad; Jella Haase; Winnie Böwe; Gerdy Zint; Uwe Preuss; Najebullah Ahmadi; Haymon Buttinger; Rosa Enskat; Klaus Manchen; Andreas Leupold; Lukas Steltner; Elina Ebert; Helmut Rosentreter; Sven Splettstößer; Elias Raudith
Drehbuch:David Wnendt
Kamera:Jonas Schmager
Schnitt:Andreas Wodraschke
Musik:Johannes Repka
Weblinks:filmfriend.de;
Länge:102 Minuten
Kinostart:19.01.2012
VÖ-Datum:09.10.2012
Verleih:Ascot Elite
Produktion: Mafilm Film- und Fernsehproduktions GmbH, ZDF/Das kleine Fernsehspiel; HFF "Konrad Wolf" Potsdam-Babelsberg;
FSK:12
Bildungseinsatz:;
Förderer:MBB; MDM
DVD EAN-Nummer:7613059802308
Anbieter-Link:
DVD Extras:Interviews, Making of, Deleted scenes, Trailer, Trailershow

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Ein junges Mädchen erhält Unterricht im Überlebenstraining am Meer. Der geliebte Großvater lässt sie einen mit Sand gefüllten Rucksack schleppen. Auf eine Frage seiner Enkelin nach der Zeit im Zweiten Weltkrieg und den Verbrechen an Unschuldigen reagiert er eindeutig: Es seien die Juden, die noch immer die Fäden ziehen. Der Keim ist gelegt. Jahre später ist Marisa in einer rechtsradikalen Clique und trägt passende Tattoos. Prügelt in der U-Bahn mit beim „Ausländerklatschen“. Die Liebesakte mit ihrem Freund aus dieser Clique sind von einer ebenso aggressiven Radikalität geprägt. Lediglich gegenüber ihrem Großvater im Krankenhaus verhält sie sich zärtlich und sensibel. Dies zeigt, dass sie auch verletzlich ist und nicht nur verroht, nicht nur angeblich frei von jedweden Schuldgefühlen. Das ist ein Teil des roten Fadens im Film der Protagonistin Marisa.

Es ist schwer, nicht hineingezogen zu werden in diesen Film. Mit größter Genauigkeit stellt er die Verrohung und Distanzlosigkeit einer Horde von jungen Erwachsenen im rechtsradikalen Milieu in einer beliebigen ostdeutschen Kleinstadt dar. Wie selbstverständlich tragen sie in ihrer eindimensionalen Welt ihren Hass und ihre Wut nach innen in der Gruppe und nach außen auf alles und jeden aus. Diese Welt erscheint im Film statisch und unveränderbar.

Marisas Geschichte wird jedoch von einem Ereignis geprägt, das sie verändern wird. In ihrer Wut drängt sie zwei Asylanten auf ihrem Moped in den Straßengraben. Nur einer, Rasul, scheint überlebt zu haben. Er sucht Unterstützung bei ihr zum Untertauchen und zur Flucht. Ihr zum Idol erhobener Großvater stirbt und sie erfährt von ihrer Mutter, dass er mitnichten ihrem Idealbild entspricht. Im Film unaufdringlich motiviert, verändert sich ihre Einstellung auf ihre bisherigen eindeutigen Zuordnungen. Die gleiche Brutalität, die sie als „Kriegerin“ eingesetzt hat, zeigt sie nun gegenüber denen, die sie verletzt haben, in ihrer Gruppe und ihrem Freund. „Man muss für alles bezahlen und gerade stehen für den Dreck, den man gemacht hat“. Ein Spruch ihres Großvaters als Lebensweisheit, der nun mit bitterer Konsequenz für sie eingelöst wird.

Im Film sehen wir die Innenansicht der Gruppe, deren Identität sich durch Dresscodes, Tattoos mit Hakenkreuzen und eindeutigen Verweisen auf die Verherrlichung der Nazi-Ideologie auszeichnen. Verbunden mit der Lust an Verbotenem, die aber kaum einen zu stören scheint, und geprägt durch männliche Härte und Schlagworte als Zeichen der Zugehörigkeit. Unscharf bleiben die Konflikte mit einem äußeren Feind, als wären sie nicht nötig. Sie sind sich eigentlich selbst genug. Das Politische scheint ausgeblendet und spielt kaum eine Rolle, weil die notwendige Reflexion fehlt.

Svenja stößt dazu, sie will weg vom despotischen Vater, ihre Pubertät lässt ihr nur den Protest-Raum der Faszination der Nazigruppe. Immer stärker lässt sie sich ein, zunächst nur vorsichtig tastend, bricht sie nach einer Eskalation mit ihrem Vater die Kontakte mit der Familie ab. Nur langsam scheint es eine Annäherung der beiden jungen Frauen Svenja und Marisa zu geben. Sie bleibt brüchig bis zum Ende des Films. Beim Schlussbild am Meer wird der Zuschauer nicht wissen, ob es für Svenja einen Weg zurückgibt. Er wird es aber hoffen.

Die Dichte des Films lässt den Zuschauer von Anfang an nicht los. Weil es kein Actionfilm ist, der uns von einer Szene zur nächsten treibt, sondern die Mehrdimensionalität und Mehrschichtigkeit der unterschiedlichen Lebenswelten der Eltern, der Entwicklungsstränge der Protagonistinnen und der genaue Blick auf die Innenansichten der rechtsradikalen Gruppe. Wie in ein Brennglas hinein.