Kilimandscharo - diesmal mit Krücken

Kinostart: 01.06.23
2022
Filmplakat: Kilimandscharo - diesmal mit Krücken

FBW-Pressetext

Der Berg ruft! Ein inspirierender Dokumentarfilm über die Kraft, sich nach einem schweren Schicksalsschlag aus dem Rollstuhl zurückzukämpfen. Nichts ist unmöglich, nicht einmal 5.895 Höhenmeter.

Der Bergsteiger Thomas Lämmle zählt zu den erfahrensten Gipfelstürmern seiner Zeit. Als Höhenforscher bildet er zudem Guides für Bergsteiger aus. Ein Gleitschirmunfall wirft ihn allerdings aus der Bahn. Die Diagnose ist niederschmetternd. Möglicherweise wird Lämmle nie wieder gehen können. Doch er kämpft sich zurück und kann mit Krücken schon bald wieder stehen und gehen. Nun soll es auch wieder in die Berge gehen. Um es sich selbst zu beweisen, will Lämmle auf den höchsten Berg Afrikas, den Kilimandscharo, sein 63. Aufstieg, nur erstmals mit Krücken.

Vor der malerischen Kulisse des Kilimandscharo in Tansania macht sich eine Gruppe Bergsteiger auf den Weg, den Gipfel zu erklimmen. Was wie ein ganz alltägliches touristisches Unterfangen klingt, ist aber viel mehr als das. Immer ganz nah am Bergsteigerprofi Lämmle begleitet Michael Scheyer die Gruppe beim Aufstieg und wird dabei selbst zum Bergsteiger, ganz im Stile des Cinema Vérité wird der Zuschauende beharrlich jeden Schritt den Berg hinauf selbst zum Gipfelstürmer. Dabei begeistern nicht nur die malerischen Landschaftsaufnahmen, ob vom dichten Urwald oder kargen Vulkangesteinen, sondern auch die informativen Anleitungen eines Thomas Lämmle. Die Bergtour wird zu einer fast ursprünglichen mehrtägigen Wanderung, in der die Gruppe sich Schritt für Schritt, Nacht für Nacht und Zeltcamp für Zeltcamp erst an die Höhe akklimatisieren muss. Überhaupt wird Lämmle dabei zur Heldenfigur, die mit eisernem Willen und selbst mit Krücken den gesunden Bergsteigern vorauseilt. Zum charismatischen Vorbild wird Lämmle aber nicht nur durch seinen umfassenden Wissensschatz über den Berg, sondern vielmehr durch sein Engagement vor Ort. KILIMANDSCHARO – DIESMAL MIT KRÜCKEN erzählt auch die Geschichte der Einheimischen, denen Lämmle mit einer Non-Profit-Agentur Selbstständigkeit als Guides des Kilimandscharo ermöglicht. Ein Dokumentarfilm, der vom Fuß des Berges bis zum Gipfelkreuz Mut macht und zeigt, dass Willensstärke viel bewegen kann.

Filminfos

Gattung:Dokumentarfilm
Regie:Michael Scheyer
Kamera:Michael Scheyer
Schnitt:Michael Scheyer
Webseite:aufdenkilimanjaro.de;
Länge:108 Minuten
Kinostart:01.06.2023
Verleih:Schmidbauer-Film
Produktion: Atelier für sehenswerte Medien
FSK:0

Jury-Begründung

Prädikat wertvoll

Es sind traumhafte Aufnahmen, die Michael Scheyer vom Aufstieg zum Uhuru-Peak, dem Gipfel des Kilimandscharo mitbringt. Scheyer hat sich dem Team um Bergsteiger Thomas Lämmle angeschlossen, der den Gipfel bereits 62 Mal bezwungen hat. Das 63. Mal aber, der Titel verrät es, wird er es auf Krücken versuchen. KILIMANDSCHARO - DIESMAL MIT KRÜCKEN ist Bergsteigerfilm und Motivationshilfe zugleich.

Michael Scheyers Dokumentarfilm begleitet eine durchaus sympathische Sechsergruppe auf dem Weg zum Gipfel. Er zeigt sie bei Vorbereitungen und Training, bei Essens- und auch Schlafpausen, kurz: bei Freud und auch bei Leid. Scheyers Begeisterung für die Besteigung ist spürbar und tatsächlich ist ein Aufstieg, so, wie für ihn, für die meisten Menschen Neuland. Minutiös liefert der Film Tipps und Hinweise. KILIMANDSCHARO - DIESMAL MIT KRÜCKEN wird so zur bebilderten Gebrauchsanweisung für einen Aufstieg. Das ist interessant, hat aber auch seine Schattenseiten: Scheyer versucht alle wichtigen Fakten zusammenzutragen, kein Detail zu übersehen. Ein Unterfangen, das so nicht gelingen kann. Seine Textstrecken sind gigantisch. Daten, Fakten, medizinische Hintergründe, Flora, Fauna und Informationen zu Bergsteigtechniken reihen sich aneinander. Die Informationsfülle ist so überwältigend, dass es der Jury schwer fällt, ihnen folgen zu wollen. Tatsächlich kommen Regie, Drehbuch, Kamera und Dramaturgie aus einer Hand. Aber auch ein Dokumentarfilm ist mehr, als reine Information. Ein Dramaturg, da ist sich die Jury sicher, hätte Informationen gefiltert und Zuschauern und Bildern Raum zum Erleben und erlebt werden gegeben. Und sicherlich hätte er auch dem Menschen Raum zu einer persönlichen Vorstellung gelassen, der seine Zuschauer die ganze Zeit - ganz bergsteigerisch - duzt: Michael Scheyer wendet sich zwar immer wieder vertrauensvoll an sein Publikum, bleibt aber insgesamt rätselhaft unsichtbar.

Doch KILIMANDSCHARO - DIESMAL MIT KRÜCKEN ist, wie eingangs erwähnt, auch ein Film über Thomas Lämmle. Er ist der Führer der Gruppe, der nach einem Unfall, mit viel Willenskraft, seinen Weg aus dem Rollstuhl, auf den Gipfel geschafft hat. Scheyer hat diese Parts mit denen der Besteigung verknüpft. Das ist ihm gut gelungen, zumal er sich hier textlich zurückhaltender zeigt. Lämmles Geschichte wirkt dabei mindestens genauso interessant, wie der Weg zum Kibo. Wer schon einmal erlebt hat, wie schwer es für Menschen ist, im „Hier und Jetzt“ zu leben, wenn sie durch Krankheit oder Unfall aus ihrem bis dato gelebten Leben geworfen werden und wie stark Verzweiflung sein kann, wenn der Weg zurück nicht gelingen will, der ahnt, welche Anstrengung Lämmle auf sich genommen hat. Die Exkurse über den Weg vom Krankenbett auf den Gipfel können hier Mut und Kraft geben. Und letztlich erweist sich dessen Hinweis, dass nur 30% mit den Füßen gelingt, aber 70% mit dem Kopf, in jeder Lebenslage ein guter Tipp.

Ausgiebig diskutiert hat die Jury auch, ob Scheyer die ethnologische Seite des Projekts hätte besser herausarbeiten müssen. Allerdings ist KILIMANDSCHARO - DIESMAL MIT KRÜCKEN in erster Linie ein Film über eine Bergbesteigung. Möglicherweise sollte der Film dennoch eine reflektorische Ebene beinhalten. Textpassagen, die behaupten, dass die ersten Menschen auf dem Kibo ein Deutscher und ein Österreicher waren, sind sicherlich wenig Bedacht gewählt, zeigen aber, dass das koloniale Denken in der Praxis fortlebt.

Allerdings anerkennt die Jury auch, dass KILIMANDSCHARO - DIESMAL MIT KRÜCKEN darauf hinweist, dass Lämmles Firma „Extrek Africa“, als Non-Profit-Organisation aufgebaut ist und mit dem erwirtschafteten Geld Bewohner Tansanias unterstützt werden. Wie sich in der weiteren Diskussion zeigte, ist dies einem Teil der Jury durchaus ausreichend Reflexion gewesen, während einem anderen Teil der Jury scheint, als würde Scheyers Dokumentation Tansania als exotische Kulisse für das heroische Vorhaben eines Mannes gebrauchen. Wirklich beeindruckend ist dabei, wie nahe der Film den Akteuren kommt, das gilt sowohl für Thomas Lämmle, wie auch für dessen Mitbesteiger.

Nach einer genauso ausgiebig, wie konträr geführten Diskussion einigt sich die Jury darauf, Michael Scheyers KILIMANDSCHARO - DIESMAL MIT KRÜCKEN das Prädikat WERTVOLL auszusprechen.