Illusion

FBW-Pressetext

Lena ist mit Leib und Seele Kontrolleurin in der Berliner U-Bahn. Die drei goldenen Regeln des Kontrollierens - immer freundlich sein, keine Ausnahmen machen, nie einen Fahrgast anfassen - stellt dieser verblüffend intelligente Kurzfilm im wahrsten Sinne auf den Kopf. Motivisch vielschichtig und überraschend, begeistern auch die ökonomische Erzählkunst und das Spiel mit der Illusion.
Prädikat besonders wertvoll

Filminfos

Gattung:Drama; Kurzfilm
Regie:Burhan Qurbani
Darsteller:Anne Ratte-Polle; Sven Lehmann
Drehbuch:Carola Diekmann
Länge:9 Minuten
Verleih:Filmakademie Baden-Württemberg
Produktion: Filmakademie Baden-Württemberg GmbH
FSK:12
Förderer:SWR

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Lena ist mit Leib und Seele Kontrolleurin in der Berliner U-Bahn. Die drei goldenen Regeln des Kontrollierens – immer freundlich sein, keine Ausnahmen machen, nie einen Fahrgast anfassen – hat sie verinnerlicht. Dennoch lässt sie sich eines Tages dazu hinreißen, einen fliehenden Fahrgast zu verfolgen und schließlich niederzuschlagen. Sie verliert ihren Job, behält aber ihren Dienstausweis – und sieht sich dieserart in der Lage, ihre Kontrolleurstätigkeit illegal weiterzuführen. So behalten die drei goldenen Regeln leicht modifiziert ihre Gültigkeit. Als sie dann ihren ehemaligen Kollegen wieder trifft und dieser sie zu einem Rendezvous einladen möchte, hat sie abermals drei goldene Regeln, die ihr helfen, auch dieses Situation zu meistern...

Burhan Qurbani entwickelt die Geschichte um seine im Grunde sehr einsame Hauptfigur mit sicherem erzählerischem Geschick und mit funktional verdichteter Motivik. Der Titel des Films – Illusion – gibt den Deutungsrahmen vor, in dem sich die Handlung vollzieht: Es geht um Strategien, sich die Unwägbarkeiten des Lebens vom Leibe zu halten. Lena ist Kontrolleurin, auch und vor allem im übertragenen Sinne: Sie wähnt sie sich im Besitz der Kontrolle über Liebe, Beruf und Macht. Sie geht völlig auf in der durch Regeln geordneten Aufgabe, und jede neue Lebenssituation überformt sie sogleich mit einem neuen Regelwerk, das in seiner Dreizahl dem ersten entspricht.
Freilich ist diese Kontrolle ein Irrtum, eine Illusion eben. Der Regisseur setzt eine Vielzahl filmsprachlicher Signale, die Lenas Sicherheit als Illusion entlarven: Die fotografierten Bilder weisen flache Tiefenschärfe auf, so dass der Bildraum eben nur in engen Grenzen wirklich überschaubar ist; überdies spielen die allermeisten Sequenzen in der U-Bahn – im direkten Wortsinn in einer Unterwelt, in die Lena abgetaucht ist. Und je näher sie der Oberfläche (also der Wirklichkeit) kommt, desto instabiler wird ihre Lebenskonstruktion. Den fliehenden Fahrgast stellt sie, nachdem dieser die ersten Treppen nach oben gelaufen ist, sich also der Oberfläche genähert hat. Ihre Entlassung aus dem ihr Sicherheit gebenden Arbeitsverhältnis erhält sie in der einzigen Location über der Erde: im Betriebsbüro des Öffentlichen Nahverkehrs.

Aufgrund dieser formalen Geschlossenheit, der motivischen Vielschichtigkeit und der stringenten, ökonomischen Erzählkunst hat sich die FBW-Jury für ein Prädikat „Besonders wertvoll“ entschieden.