Helmut Newton - The Bad and the Beautiful

Kinostart: 09.07.20
2020
Filmplakat: Helmut Newton - The Bad and the Beautiful

FBW-Pressetext

Faszinierendes Porträt einer Fotografie-Legende

Zu seinem 100. Geburtstag porträtiert der Dokumentarfilm von Gero von Boehm den im Jahr 2004 verstorbenen internationalen Starfotografen. Von Boehm gelingt ein eindrucksvolles Porträt eines Mannes, der viele weibliche Stars fotografierte, mit seinen gewagten Aufnahmen provozierte und dabei selbst zur Legende wurde.

Anhand der vielen ikonischen Aufnahmen, die die Zuschauer mit Helmut Newtons Wirken verbinden, lässt THE BAD AND THE BEAUTIFUL nicht nur Newtons Schaffen wieder lebendig werden, sondern lässt auch den Meister und seine von ihm grandios in Szene gesetzten Models und Musen selbst zu Wort kommen. Dabei werden viele biografische Eckpunkte nur angerissen und nicht vertieft, was ein größeres Potpourri an Eindrücken und Momenten erlaubt. Das Zentrum des Films ist die Fotografie und die erhält einen angemessenen filmischen Raum. Eine gigantische Fülle an Material und ein hohes Montagetempo sorgen für kurzweilige Unterhaltung. Dass der Blick von Helmut Newton auf die Frauen immer auch ein Bild von Männern als Betrachter beinhaltet, ist nur eine der vielen faszinierenden Erkenntnisse, die dieses ungewöhnliche und mit Leidenschaft entstandene Künstlerporträt hinterlässt.

Filminfos

Gattung:Dokumentarfilm
Regie:Gero von Boehm
Drehbuch:Gero von Boehm
Kamera:Marcus Winterbauer; Sven Jakob-Engelmann; Pierre Nativel; Alexander Hein
Schnitt:Tom Weichenhain
Webseite:helmutnewton-derfilm.de;
Länge:89 Minuten
Kinostart:09.07.2020
Verleih:Filmwelt Verleih
Produktion: Lupa Film GmbH, Monarda Arts;
FSK:0
Förderer:MBB; DFFF; MDM

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Bei einem Film, der rund um den 100. Geburtstag eines Künstlers in die Kinos kommt, glaubt man zu wissen, was kommt: eine Einführung ins Werk, abgehandelt als Entwicklungserzählung von Kindheit bis zum Tod. Gero von Boehm aber überrascht in HELMUT NEWTON – THE BAD AND THE BEAUTIFUL den Zuschauer mit einem ungewöhnlichen Einstieg: Er beginnt mit der Kontroverse, die Newtons Bilder ausgelöst haben. Damit verlegt er von Anfang an den Schwerpunkt seines Films von der biografischen auf die thematische Seite. In zahlreichen Interviews mit den berühmten Models, mit denen Newton gearbeitet hat – Isabella Rossellini, Claudia Schiffer, Grace Jones, Hannah Schygulla, Nadja Auermann u.a. –, fächert der Film verschiedene Sichtweisen auf Newtons Fotografie auf. Auch wenn die Zeitzeugen fast ausschließlich Positives über den Mann und seine Arbeitsweise erzählen, wird zugleich deutlich, wie vieldeutig seine Bilder sind und waren: Was damals aus feministischer Sicht als frauenfeindlich erschien, das Ablichten von nackten Frauen in unterwürfigen Posen, wirkt heute eher wie ein Augenöffner auf das, was verborgene gesellschaftliche Herrschaftsstrukturen sind; damals, als die Fotos die Cover von „Vogue“ und „Stern“ zierten, galten sie aus Ausdruck eines Blicks, der Frauen auf Sex-Objekt-Status reduziert, heute stellen sie in ihrer Künstlichkeit, ihrer Inszenierung die systemische Frauenfeindlichkeit aus, während sie gleichzeitig auf das Macht- und Stärke-Potential von Frauen hinweisen.
Die Stärke von Gero von Boehms Ansatz besteht seinerseits darin, dass er durch seinen Ansatz, die Models und Wegbegleiterinnen sprechen zu lassen, viele Aspekte nebeneinander anreißen und für sich stehen lassen kann.
Erst relativ spät bringt Gero von Boehm die Biografie von Newton ins Spiel, seine Kinder- und Jugendjahre als verwöhnter Fabrikantensohn in Berlin, die Lehre, die er in den 1930er Jahren bei der jüdischen Fotografin Yva absolvierte, seine Flucht im Jahr 1938 nach Singapur und dann nach Australien. Von Boehm nutzt Archivmaterial, verschiedene Interviewausschnitte aus verschiedenen Jahren, die er mosaikartig zusammensetzt, um möglichst viel seiner Biografie in Newtons eigener Sichtweise wiederzugeben.
Ein dritter Schwerpunkt des Films bildet Newtons Beziehung zu seiner Ehefrau June, deren eigene Arbeit und ihr Einfluss auf das Werk ihres Mannes, zur Geltung gebracht wird.
HELMUT NEWTON – THE BAD AND THE BEAUTIFUL erfüllt auf diese Weise viele Ansprüche auf einmal: Er führt auf unpolemische Weise ein in ein umstrittenes Werk, beleuchtet die interessante Biografie dahinter, führt gleichzeitig – das vor allem auch durch die gewählte Begleitmusik aus gängigen Popsongs der Ära – zurück in die 1970er und 1980er Jahre als einer Epoche, in der sich die Begriffe davon, was Modefotografie und was Kunst ist, wesentlich verändern. Mit diesem Ansatz gelingt es dem Film, die Lust an der Auseinandersetzung mit Newton über die eigene Länge hinaus zu wecken und zu fördern.