Helden

VÖ-Datum: 18.05.17
1958
Filmplakat: Helden

Jurybegründung

Der Bewertungsausschuss hat dem Film das Prädikat „besonders wertvoll“ verliehen. Dem Buch und der Regie gelingen eine Verfilmung auf dem Niveau Bernard Shaws. Die Satire dieses Films auf das Heldentum ist von jener positiven Fundiertheit und subtilen Überlegenheit, wie sie für die Shawschen Komödien charakteristisch sind. Das Buch übernimmt nicht nur den Dialog, um die witzigen Pointen auszunutzen; es übernimmt vielmehr die Komödie im Ganzen, spielt sie in einer eigentümlich filmischen Weise aus und lässt die menschliche Hintergründigkeit der Komödie deutlich werden. Es handelt sich keineswegs um eine bloße Destruktion des Heldentums, sondern um eine begründete Korrektur eines falschen Bildes vom Helden. Der „Praliné-Soldat“ erweist sich als ein Mann und freier Bürger, dessen Selbstsicherheit und Überlegenheit echt sind, und der darum auch seine Schwächen eingestehen und jeder Prahlerei entbehren kann. Aber auch jenes primitivere Heldentum des Leutnants wird nicht nur abgewertet, sondern in seine Begrenztheit zurückverwiesen, denn er hat Mut und ist kein schlechter Kerl; sehr viel mehr hat und ist er nicht. Die Analogie in den erotischen Beziehungen, von denen die eine subtil, die andere primitiv durchgespielt wird, ist höchst reizvoll und treffend. So enthält diese Komödie allein durch die Unterscheidung, die sie demonstriert, eine wohlwollende Lehre für den Menschen, die gut und überdies zeitgemäß ist.



Die Ambition verleitet den Regisseur jedoch in keiner Weise dazu, die Tendenz aufdringlich zu servieren. Der Film ist offensichtlich als Komödie und nicht als Tendenzstück inszeniert worden. Dank der kunstvollen Vorlage, der kunstvollen Regie und Darstellung ist der Humor stärker als die Tendenz. Die Regie versteht es, die satirisch aggressiven und die humorvoll auflösenden Akzente so genau zu setzen, dass jede Sequenz wie ein subtil ausgearbeitetes Kammerspiel erscheint, ohne dass der große Bogen der Inszenierung verlorenginge. Zwar werden im zweiten Teil des Films die Situationen, die der erste Teil spannend und treffsicher entwickelt, nur noch zu Ende gespielt; insofern fällt der zweite Teil gegenüber dem ersten ab. Doch bietet der zweite Teil der Regie immer noch genügend Gelegenheit zu vorzüglich ausgearbeiteten Einzelszenen. Sie beherrscht ebenso die leisen Dialogszenen wie die an den Klamauk grenzende Szenerie, und nicht zuletzt auch die lebendig bewegten Chorszenen. Vor allem muss die vorzügliche Führung der beiden Hauptdarsteller hervorgehoben werden, die dem Anschein nach durch den Regisseur dazu befähigt werden, ihre bisherigen Leistungen zu übertreffen.



Die Kamera hat, wie es sich in der Komödie gehört, selbst Humor. Sie fotografiert nicht nur die Szenen ab, sondern bringt selbst Pointen, Bezüge und auch Satire zuwege. Die Bauten und die Kostüme tragen dazu bei, dass die Satire eine lebendige und farbige Erzählung bleibt. Der Schnitt ist harmonisch und wirkungsvoll. Die Musik verstärkt durch ihre eigentümliche, dem Charakter der Komödie im Ganzen und der Einzelszene jeweils angepassten Form die Wirkung von Bild und Dialog. Sie hat wie die Kamera in sich satirischen Charakter und trägt durch die Märsche oder durch eine witzige Untermalung der Dialogszenen zur Gesamtwirkung bei. Besondere Hervorhebung verdienen die beiden Hauptdarsteller Liselotte Pulver und O. W. Fischer, die nicht nur ihre jeweils scharf profilierten Charaktere den ganzen Film hindurch konsequent durchzeichnen, sondern auch in ihren Dialogszenen ein so subtiles und pointenreiches Zusammenspiel zeigen, wie es im deutschen Film selten zu sehen ist. Gerade die Darstellung des Primitiven bedarf der differenzierten Schauspielkunst. Hier bemerkt man nur die Primitivität der Darstellung. Das schauspielerische Niveau fällt gegenüber den Hauptdarstellern wie gegenüber dem übrigen Ensemble derart ab, dass es im zweiten Teil den Rang des Filmes in Frage stellen könnte, wenn nicht die übrigen Leistungen und der Film im Ganzen so stark wären.
Prädikat besonders wertvoll

Filminfos

Kategorie:Spielfilm
Gattung:Komödie; Spielfilm
Regie:Franz Peter Wirth
Darsteller:O.W. Fischer; Liselotte Pulver; Ellen Schwiers; Jan Hendriks; Ljuba Welitsch; Kurt Kasznar; Manfred Inger
Drehbuch:Eberhard Keindorff; Johanna Sibelius
Kamera:Klaus von Rautenfeld
Schnitt:Claus von Boro
Musik:Franz Grothe
Länge:96 Minuten
VÖ-Datum:18.05.2017
Verleih:Bavaria Filmverleih
Produktion: , H. R. Sokal-Film GmbH / Bavaria-Filmkunst AG, München
FSK:6
BD EAN-Nummer:40 103 240 42 118
DVD EAN-Nummer:40 103 242 027 58
DVD Extras:- 12-seitiges Booklet; - Original-Kinotrailer;

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Der Bewertungsausschuss hat dem Film das Prädikat „besonders wertvoll“ verliehen. Dem Buch und der Regie gelingen eine Verfilmung auf dem Niveau Bernard Shaws. Die Satire dieses Films auf das Heldentum ist von jener positiven Fundiertheit und subtilen Überlegenheit, wie sie für die Shawschen Komödien charakteristisch sind. Das Buch übernimmt nicht nur den Dialog, um die witzigen Pointen auszunutzen; es übernimmt vielmehr die Komödie im Ganzen, spielt sie in einer eigentümlich filmischen Weise aus und lässt die menschliche Hintergründigkeit der Komödie deutlich werden. Es handelt sich keineswegs um eine bloße Destruktion des Heldentums, sondern um eine begründete Korrektur eines falschen Bildes vom Helden. Der „Praliné-Soldat“ erweist sich als ein Mann und freier Bürger, dessen Selbstsicherheit und Überlegenheit echt sind, und der darum auch seine Schwächen eingestehen und jeder Prahlerei entbehren kann. Aber auch jenes primitivere Heldentum des Leutnants wird nicht nur abgewertet, sondern in seine Begrenztheit zurückverwiesen, denn er hat Mut und ist kein schlechter Kerl; sehr viel mehr hat und ist er nicht. Die Analogie in den erotischen Beziehungen, von denen die eine subtil, die andere primitiv durchgespielt wird, ist höchst reizvoll und treffend. So enthält diese Komödie allein durch die Unterscheidung, die sie demonstriert, eine wohlwollende Lehre für den Menschen, die gut und überdies zeitgemäß ist.

Die Ambition verleitet den Regisseur jedoch in keiner Weise dazu, die Tendenz aufdringlich zu servieren. Der Film ist offensichtlich als Komödie und nicht als Tendenzstück inszeniert worden. Dank der kunstvollen Vorlage, der kunstvollen Regie und Darstellung ist der Humor stärker als die Tendenz. Die Regie versteht es, die satirisch aggressiven und die humorvoll auflösenden Akzente so genau zu setzen, dass jede Sequenz wie ein subtil ausgearbeitetes Kammerspiel erscheint, ohne dass der große Bogen der Inszenierung verlorenginge. Zwar werden im zweiten Teil des Films die Situationen, die der erste Teil spannend und treffsicher entwickelt, nur noch zu Ende gespielt; insofern fällt der zweite Teil gegenüber dem ersten ab. Doch bietet der zweite Teil der Regie immer noch genügend Gelegenheit zu vorzüglich ausgearbeiteten Einzelszenen. Sie beherrscht ebenso die leisen Dialogszenen wie die an den Klamauk grenzende Szenerie, und nicht zuletzt auch die lebendig bewegten Chorszenen. Vor allem muss die vorzügliche Führung der beiden Hauptdarsteller hervorgehoben werden, die dem Anschein nach durch den Regisseur dazu befähigt werden, ihre bisherigen Leistungen zu übertreffen.

Die Kamera hat, wie es sich in der Komödie gehört, selbst Humor. Sie fotografiert nicht nur die Szenen ab, sondern bringt selbst Pointen, Bezüge und auch Satire zuwege. Die Bauten und die Kostüme tragen dazu bei, dass die Satire eine lebendige und farbige Erzählung bleibt. Der Schnitt ist harmonisch und wirkungsvoll. Die Musik verstärkt durch ihre eigentümliche, dem Charakter der Komödie im Ganzen und der Einzelszene jeweils angepassten Form die Wirkung von Bild und Dialog. Sie hat wie die Kamera in sich satirischen Charakter und trägt durch die Märsche oder durch eine witzige Untermalung der Dialogszenen zur Gesamtwirkung bei. Besondere Hervorhebung verdienen die beiden Hauptdarsteller Liselotte Pulver und O. W. Fischer, die nicht nur ihre jeweils scharf profilierten Charaktere den ganzen Film hindurch konsequent durchzeichnen, sondern auch in ihren Dialogszenen ein so subtiles und pointenreiches Zusammenspiel zeigen, wie es im deutschen Film selten zu sehen ist. Gerade die Darstellung des Primitiven bedarf der differenzierten Schauspielkunst. Hier bemerkt man nur die Primitivität der Darstellung. Das schauspielerische Niveau fällt gegenüber den Hauptdarstellern wie gegenüber dem übrigen Ensemble derart ab, dass es im zweiten Teil den Rang des Filmes in Frage stellen könnte, wenn nicht die übrigen Leistungen und der Film im Ganzen so stark wären.