Gotteskinder

Kinostart: 30.01.25
2023
Filmplakat: Gotteskinder

FBW-Pressetext

Zwei junge Menschen im goldenen Käfig ihrer Religion – eine dramatische Geschichte zwischen Familie und erster Liebe, zwischen Glaube und Selbstbestimmung und zwischen Leben und Tod.

Hannah und Timotheus sind die Vorzeigegeschwister ihrer behüteten, konservativen Familie. In der streng evangelikalen, freikirchlichen Glaubensgemeinschaft übernimmt Hannah eine Vorbildrolle für die übrigen Mädchen und predigt Keuschheit. Derweil entdeckt Timotheus Gefühle für einen anderen Jungen, die er bisher versucht hat, zu verdrängen. Doch die eigene Identität lässt sich nicht verbergen. Das muss auch Hannah lernen, als ihr der rebellische Nachbarsjunge Max ein Leben außerhalb der starren Regeln offenbart. Mehr und mehr treten die individuellen Bedürfnisse der Geschwister so in einen Konflikt mit der Familie, der unweigerlich in einer Katastrophe gipfelt.

GOTTESKINDER erzählt intensiv und eindrucksvoll von einer Überhöhung religiöser Ansichten, wie sie so abseits der Öffentlichkeit in mancher Familie tatsächlich vorkommen könnten. Dabei stechen die jungen Hauptdarsteller Flora Li Thiemann (Hannah), Serafin Mishiev (Timotheus) und Michelangelo Fortuzzi (Max) bei diesem Coming-of-Age-Drama besonders heraus, geben sie doch so manchem Schrecken in der Geschichte in jeder Weise überaus glaubhaft und stets nachvollziehbar ein Gesicht. So gehen dem Zuschauer die sich langsam entfaltenden Abgründe, die der Glauben hier aufbricht, sehr nahe. Jede Ungerechtigkeit schreit zum Himmel, jede Konsequenz erscheint umso bedeutender. Gerade aufgrund seines erzählerisches Kontextes erinnert GOTTESKINDER an amerikanische Vorbilder wie Sophia Coppolas VIRGIN SUICIDES, erfährt durch die Situierung im deutschsprachigen Raum aber eine ganz neue Kraft und Relevanz.

Filminfos

Jury-Begründung

Prädikat wertvoll

GOTTESKINDER spielt in einer typischen deutschen Vorortsiedlung – alles scheint hier durchschnittlich, vorhersehbar und normiert zu sein. Aber in diesen kleinen Einfamilienhäusern wohnen Menschen, die einer freikirchlichen Gemeinde angehören, und sie leben nach Regeln, die zugleich absurd und exotisch wirken. Die Regisseurin und Drehbuchautorin Frauke Lodders war selber überrascht darüber, dass die evangelikalen Christen kein US-amerikanisches Phänomen sind, sondern sie stattdessen auch in Deutschland immer mehr werden. Sie hat dann lange recherchiert und diese gründliche Vorbereitung merkt man dem Film auch an. Er erzählt von einer streng evangelikal lebenden „Modellfamilie“: Neben dem strengen Vater und der gefügigen Mutter besteht sie aus der 17-jährigen Tochter Hannah und dem 15-jährigen Sohn Timotheus. Am Anfang des Films scheint die Welt, in der die Familie lebt, noch heil zu sein, und bei einem Gottesdienst sieht man Hannah voller religiöser Verzückung strahlen. Doch die beiden Jugendlichen werden in schwere Identitätskrisen gestürzt, als Hannah sich zu dem neuen gleichaltrigen Nachbarn Max hingezogen fühlt und Timotheus merkt, dass er homosexuell ist. Voreheliche und gleichgeschlechtliche Liebesbeziehungen sind für diese orthodox lebenden Christen extrem sündhaft, und der Film zeigt, zu welchen hochdramatischen und tragischen Konsequenzen es führen kann, wenn versucht wird, diese menschlichen Bedürfnisse systematisch zu unterdrücken. Es gelingt Lodders mit ihrem Film, eine glaubwürdige und vitale Innensicht des Familienlebens von evangelikalen Christen zu gestalten. Erzählt wird aus der Perspektive der drei Jugendlichen heraus, und sie werden von Flora Li Thiemann, Serafin Mishiew und Michelangelo Fortuzzi sehr überzeugend und lebendig verkörpert. Unter den erwachsenen Schauspieler:innen sticht vor allem Mark Waschke hervor, denn als der Patriarch hat er in der Familie und so zwangsläufig auch im Film große Auftritte. Dass seine Frau dagegen eine passive und stille Rolle spielt, ist sicher den Rollenbildern und Familienstrukturen der orthodox lebenden Christen zuzuschreiben. Jedoch hätte sich ein Teil der Jury etwas mehr Präsenz der Frauenfiguren gewünscht. Dies wird vor allem bei der Mutter von Max deutlich, die sehr abrupt in die Fänge der Gemeinde gerät und dann Entscheidungen gegen ihren Sohn fällt, die für die Jury schwer nachzuvollziehen sind. Die Kameraarbeit von Johannes Louis ist realistisch, sachlich, und dies ist sicher der Thematik des Films und dem Milieu, in dem er spielt, angemessen. Dadurch wirkt der Film allerdings stellenweise ein wenig wie eine Fernsehproduktion. Im Anschluss an eine spannende Diskussion und in Abwägung aller Argumente entscheidet sich die Jury, den Film gerne mit einem Prädikat WERTVOLL auszuzeichnen.