Fritz Litzmann, mein Vater und ich

Kinostart: 29.05.25
2025
Filmplakat: Fritz Litzmann, mein Vater und ich

FBW-Pressetext

Eine spannende und hoch unterhaltsame Reise durch viele Jahrzehnte deutscher Kabarett- und Kulturgeschichte. Und dazu ein sehr persönliches Porträt zweier faszinierender und vielschichtiger Biografien, das in jeder Sekunde mitreißt und berührt. Ein in jeder Hinsicht beglückendes Filmerlebnis.

Rainer Pause gründete 1987 eines der bekanntesten Kabaretthäuser Deutschlands: das Pantheon in Bonn. Rainer Pause hat sein Leben und Herzblut dem Kabarett und seiner von ihm erschaffenen Kunstfigur „Fritz Litzmann“ verschrieben. Doch der Künstler ist gleichzeitig der Vater des Regisseurs Aljoscha Pause. Und diese Beziehung hat auf den ersten Blick nichts mit Kunst und dem Pantheon zu tun. Und ist dennoch untrennbar mit Beidem verbunden.

In seinem neuen Film unternimmt Aljoscha Pause eine persönliche Reise in gleich zwei Biografien. Da ist der Vater Rainer, dessen Leben bilderbuchartig aufgefächert wird. Dabei entsteht das Bild eines zurückhaltenden Jungen, der sich nirgendwo zugehörig fühlte, bis er das Kabarett entdeckte – und darin mehr als berufliche Erfüllung fand. Auf der anderen Seite ist da Aljoscha Pause selbst. Ehrlich selbstreflexiv und mit großer Klarheit erzählt Pause vom Aufwachsen in einer Künstler-Kommune, von einer Kindheit ohne Struktur oder Aufsicht, von der rebellischen Jugend und von dem Weg in ein eigenständiges, glückserfülltes Leben. Neben der emotionalen Fülle an Eindrücken erzählt Pause fundiert von deutscher Kabarett- und Kulturgeschichte. Neben Rainer Pause kommen unzählige Humoristengrößen zu Wort: Ob Helge Schneider, Jürgen Becker, Georg Schramm, Norbert Alich, Carolin Kebekus oder Bastian Pastewka – alle berichten von der Bedeutung des Pantheon und verdeutlichen die Faszination, die das Kabarett auf das Publikum, aber auch auf die Künstler ausübt. Wer Kabarett macht, brennt dafür. Und lässt alles andere zur Nebensache werden, was sich für private Beziehungen als toxisch erweisen kann. Die Montage (Jan Richter und Claudia Spoden) verwebt die Erzählstränge harmonisch und dynamisch, die Musik von Roland Meyer de Voltaire setzt atmosphärische Akzente und die Kamera von Robert Schramm, die immer wieder hoch oben über der Bonner Altstadt fliegt, schafft eine Distanz und Auszeit von den intensiv ehrlichen Gesprächen. Dazu füllen Animationssequenzen des Künstlers Alireza Darvish mit klugen Bildeinfällen die Erinnerungen, für die es keine Bilder gibt. Mit FRITZ LITZMANN, MEIN VATER UND ICH stellt Aljoscha Pause einmal mehr sein großes dokumentarisches Können unter Beweis, das Publikum auf eine spannende Reise mitzunehmen – in Geschichte, Geschichten und Biografien.
Prädikat besonders wertvoll

Filminfos

Gattung:Dokumentarfilm
Regie:Aljoscha Pause
Drehbuch:Aljoscha Pause
Kamera:Robert Schramm
Schnitt:Jan Richter; Claudia Spoden
Musik:Roland Meyer de Voltaire
Webseite:mindjazz-pictures.de;
Länge:144 Minuten
Kinostart:29.05.2025
Verleih:Mindjazz Pictures
Produktion: Pausefilm Aljoscha Pause
Förderer:DFFF; Film- und Medienstiftung NRW

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Sind 144 Minuten für einen autobiografischen Dokumentarfilm nicht ein wenig lang? Nimmt sich Aljoscha Pause nicht zu wichtig, wenn er über zwei Stunden lang von sich und seinem Vater erzählt? Diese Bedenken werden schon in den ersten Minuten von FRITZ LITZMANN, MEIN VATER UND ICH zerstreut, denn wie der Titel schon andeutet, werden hier mindestens drei Geschichten erzählt, die so interessant und welthaltig sind, dass man die gesamte Zeit über neugierig und mit wachsender Faszination hinsieht. Zum einen erzählt Pause hier von seinem Vater Rainer Pause, der seit vielen Jahrzehnten einer der einflussreichsten Kabarettisten des Landes ist, jedoch als Workaholic alles andere als ein Familienmensch. „Es war für mich nicht erstrebenswert, eine Familie zu haben“ sagt er im Film zu seinem Sohn. Entsprechend chaotisch war die Erziehung von Aljoscha Pause, der eine stark rebellische und selbstzerstörerische Ader entwickelte, bis er durch eine Panikattacke ein deutliches Alarmsignal von seinem eigenen Körper bekam. Pause erzählt von seiner eigenen Geschichte, indem er vor allem andere wie den Vater, verschiedene „Ersatzeltern“ und Jugendfreunde davon berichten lässt. So vermeidet er jeden Anflug einer narzisstischen Nabelschau. Entscheidende Momente in den beiden Biografien, von denen es keine Bilder gibt, werden von Alireza Darvisch originell illustriert, und auch dadurch „delegiert“ Aljoscha Pause die eigene Geschichte an einen anderen, um so nicht zu viel in der Ich-Form erzählen zu müssen. Nicht umsonst steht im Filmtitel der Name Fritz Litzmann an erster Stelle, also jener Kunstfigur, die Rainer Pause entwickelte und mit der er zu einem der bekanntesten Kabarettisten der Bundesrepublik wurde. Denn der Film ist en passant auch ein Porträt der bundesdeutschen Kabarettszene. Er funktioniert so auch als eine Kulturgeschichte der Bonner Republik, die sich wunderbar am Beispiel der Karriere von Rainer Pause entwickeln lässt, der nicht nur auf der Bühne, sondern auch als Gründer und Leiter des Bonner Spielortes „Pantheon“ die Entwicklung des politischen Kabaretts förderte. Dass er diesen Club mit seinem dezidiert „linksradikalen“ Programm ausgerechnet im Kellergeschoss des Bonn-Centers am Bundeskanzlerplatz, also aus dem Zentrum der Macht, betreiben konnte, ist eine der vielen Pointen des Films. Dieser ist vollgespickt mit Aussagen von ZeitzeugInnen aus der Kabarett - und Kulturszene wie Helge Schneider, Carolin Kebekus, Bastian Pastewka und Claudia Roth, die Aljoscha Pause zum Teil persönlich kennen und ihn in seiner Jugend erlebt haben. Darum sprechen sie ihn manchmal auch in den Interviewsituationen direkt an, wodurch eine der Konventionen des Dokumentarfilms kreativ ignoriert wird. Dies könnte auch das Verdienst von Jan Richter und Claudia Spoden sein, deren flotte und originelle Montage einer der Gründe dafür ist, warum FRITZ LITZMANN, MEIN VATER UND ICH nicht nur inhaltlich, sondern auch filmästhetisch überzeugt, sodass die Jury hier gerne das Prädikat „besonders wertvoll“ vergibt.