Es war einmal Indianerland

Kinostart: 19.10.17
VÖ-Datum: 20.04.18
2017
Filmplakat: Es war einmal Indianerland

FBW-Pressetext

Mauser ist 17 und will Boxer werden. Und er ist das erste Mal wirklich verliebt. In Jackie. Sie ist ein Traum von einem Mädchen und erscheint Mauser von seiner eigenen Welt im verwahrlosten Sozialwohnblock meilenweit entfernt. Doch Jackie macht den Eindruck, als wäre sie gar nicht richtig an Mauser interessiert. Im Gegensatz zur starken und selbstbewussten Edda, die im Laden um die Ecke arbeitet, noch Postkarten schreibt und Mauser einfach gut findet. Zumindest sagt sie das ständig. Wer Mauser nicht mehr gut findet, ist sein Vater Zöllner. Als dieser seine Frau im Affekt umbringt und bei einem Hippie-Festival nahe der Grenze untertauchen will, entschließt sich Mauser, ihm hinterherzufahren. Irgendwie scheint ihm das der Indianer mitteilen zu wollen, der Mauser ständig in den abwegigsten Situationen als Vision erscheint. Wenn das kein Zeichen ist. Aber für was eigentlich? Das weiß Mauser auch nicht so genau. Doch ein wahrer Held muss ja auch nicht immer alles sofort wissen. Für sein Langfilmdebüt ES WAR EINMAL INDIANERLAND kreiert der Filmemacher Ilker Catak ein ganz eigenes Universum, irgendwo zwischen bunter Fantasiewelt und hyperrealistischem Sozialmilieu. Denn das ist die Welt, in der sich Cataks Held Mauser, den Newcomer Leonard Scheicher angenehm zurückhaltend spielt, bewegt, und es ist seine Perspektive, durch die der Zuschauer eben diese Welt wahrnimmt. Und so ist vieles überzeichnet, vieles schräg und schrill und fast schon comichaft in Sprache, Schnitt und Sound. Besonders gilt dies für die äußerst kreative und bildgewaltige Inszenierung des Festivals, bei dem, auch aufgrund der drogengeschwängerten Atmosphäre, Farben und Figuren einen wahren Tanz veranstalten. Auch mit den Zeitebenen spielt Catak mit hohem Tempo, springt in der Story vor- und rückwärts, erzählt Situationen erneut, wechselt die Perspektive und den Kontext. Doch Catak lässt auch ruhige verträumte Momente zu und zeigt auf diese Weise die Verlorenheit von Mauser, der sich erst noch finden muss und erzählt darüber hinaus eine wunderschöne Liebesgeschichte zwischen ihm und Edda, die Johanna Polley als willensstarke junge Frau verkörpert und zudem die amüsantesten Dialoganteile erhält. Jungstars wie Emilia Schüle und Joel Basman ergänzen das starke Ensemble. ES WAR EINMAL INDIANERLAND ist deutsches Nachwuchskino, das formal und inhaltlich großen Mut beweist und die Spielwiese des Films mit großer Freude auf jede erdenkliche Weise nutzt.

Filminfos

Gattung:Drama; Jugendfilm; Spielfilm; Coming-of-Age
Regie:Ilker Çatak
Darsteller:Leonard Scheicher; Emilia Schüle; Johannes Klaußner; Clemens Schick; Johanna Polley; Joel Basman; Robert Alan Packard; Katharina Behrens; Nicolas Buitrago; Yaw-Boah Amponsem; Emilio Sanmarino
Drehbuch:Nils Mohl; Max Reinhold
Buchvorlage:Nils Mohl
Kamera:Florian Mag
Schnitt:Jan Ruschke
Musik:Martin Gretschmann
Webseite:;
Länge:96 Minuten
Kinostart:19.10.2017
VÖ-Datum:20.04.2018
Verleih:Camino Filmverleih
Produktion: Riva Filmproduktion GmbH, Westdeutscher Rundfunk; Hessischer Rundfunk; ARTE G.E.I.E.;
FSK:12
Förderer:FFA; BKM; DFFF; KJDF; FFHSH

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Nils Mohls „Es war einmal Indianerland“ ist seit 2011 ein Bestseller unter den Jugendromanen. Ilker Çatak hat die schrille Coming-of-Age-Geschichte aus einer städtischen Hochhaussiedlung verfilmt, genauso schrill, genauso hastend und donnernd wie die Buchvorlage.

Mauser ist 17, Boxer und mit einem Mal total verliebt in Jackie, eine Tochter aus gutem Haus. Dann lernt er Edda in der Videothek kennen und die Sache wird kompliziert. Richtig aus der Bahn geworfen wird Mauser aber erst, als er erfährt, dass sein Vater wegen Mordes gesucht wird. Und das alles nur ein paar Tage vor seinem großen Wettkampf.

ES WAR EINMAL INDIANERLAND ist zweifellos ein cinephiler Film. ELEMENTARTEILCHEN, LA HAINE, LOVE STEAKS: Çatak bietet assoziative Collagen zu anderen Filmen und dennoch hat er die Meinung der Jury gespalten. ES WAR EINMAL INDIANERLAND stellt gewohnte Rezeptionskonzepte in Frage. Das ist mutig, kann aber auch schief gehen. Der Film orientiert sich dabei dramaturgisch an der Buchvorlage. Er springt in den Zeitebenen, verknüpft sie assoziativ und will damit Einblicke in die Wahrnehmung des Protagonisten gewähren. Aber, so urteilt die Jury, Konzepte, die im Printbereich Erfolg haben, müssen nicht unweigerlich auch im Film reüssieren.

In der Diskussion zeigte sich: ES WAR EINMAL INDIANERLAND polarisiert. So übte ein Teil der Jury Kritik an der Dramaturgie Çataks. So wild und bunt sich der Film gibt, so überdreht schienen ihr die üppigen Party-Szenen. Insbesondere die Pow-Wow-Story im letzten Teil des Films wirkte auf sie etwas aufgesetzt und zu lang. Im Gegenzug wünschte sie sich dagegen mehr Tiefgang bei den Charakteren.

Demgegenüber erkannte ein anderer Teil der Jury künstlerische Finesse in der Dramaturgie des Films. Dialoge, die an Hörspiele von Alfred Andersch erinnern, und Assoziativketten, die seit Anfang der 1970er Jahre kaum noch auf der Leinwand zu erleben sind, überzeugten hier. Dementsprechend wurde auch die Charakterisierung der Darsteller als aus der Verstörung des jugendlichen Darstellers begriffen und als völlig treffend bewertet.

Einer Meinung war die Jury dagegen bei der Bewertung der Sidestory rundum das Verbrechen des Vaters. Auch wenn das Geschehen aus den Augen eines 17jährigen Protagonisten erzählt wird, lassen Tat und vor allem Flucht des Vaters zu viele Fragen offen, um sich glaubwürdig in die Handlung zu integrieren.

Aber auch die twitterorientierte Kennzeichnung und Unterteilung in Kussszenen (#Kuss 1, #Kuss 2, etc.) stieß bei der Jury auf Kritik. Da sie das Gefühl hat, dass der Film eher als eine Erinnerung an jugendliche Gefühlswelt für das Publikum jenseits der 30 wirkt als eine Coming-Of-Age-Geschichte für das Publikum im Alter des Protagonisten, hinterließen die Inserts einen etwas „pubertären“ Beigeschmack.

In der ausgiebigen Diskussion zeigte sich weiterhin, dass die Jury die Qualität des Films sehr unterschiedlich wertete. Letztlich setzte sich eine Mehrheit durch, die künstlerischen Qualitäten der jugendlichen Milieustudie zu beachten und dem Film aufgrund dieser eindeutigen Qualitäten das Prädikat „besonders wertvoll“ zu verleihen.