Einer trage des anderen Last

1988

Kurzbeschreibung

In einer Lungenheilanstalt treffen Anfang der 50er Jahre ein von der sozialistischen Idee durchdrungener Volkspolizist und ein evangelischer Vikar aufeinander, die in einer ungewähnlichen Stituation lernen, miteinander leben zu müssen.
Prädikat besonders wertvoll

Filminfos

Gattung:Spielfilm
Regie:Lothar Warneke
Länge:118 Minuten
Produktion:

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Der Bewertungsausschuss hat dem Film mit 4:1 Stimmen das Prädikat "besonders wertvoll" erteilt.

Christliche Existenz in einem Weltanschauungssystem, dessen eigene Logik zu konsequent-atheistischen Positionen führen muss, zieht sich als immer wieder von neuem aktuell werdende Fragestellung durch die Sozial- und Kulturgeschichte. Wo theoretische Positionen davon ausgehen, dass religiöse Orientierungsbedürfnisse des Menschen als "wissenschaftlich absurd" gelten dürfen, müssen Gläubige sich auf schwierigem Boden bewegen.

Lothar Warnekes (Regie) und Wolfgang Helds (Buch) Film verdankt sich selbst offenbar einem tastenden Aufeinanderzugehen zwischen christlichem und marxistisch-leninistischem Lebensverständnis, das im Alltag der DDR Schritt um Schritt an Terrain gewinnen konnte, ohne im bundesrepublikanischen Deutschland angemessen wahrgenommen, geschweige denn gewürdigt worden zu sein.

So mögen "westliche" Augen zunächst davon überrascht werden, einen Volkspolizisten und ein evangelischen Vikar kennenzulernen, die 1950 als Zimmergenossen in einem Lungensanatorium miteinander zurechtkommen müssen. Nach wenigen Bildeinstellungen bereits zeigt sich immer klarer, dass hier von allen plakativen Charakterstereotypen abgesehen wird. Von zeitgeschichtlich treffsicherer "Einrichtung" und einer dem Physiognomien liebevoll nahekommenden Kamera eingefangen, sehen wir auf engstem Handlungsraum (Sanatorium/Garten) die Protagonisten einer notwendigen Neuen Toleranz von zunächst noch ritualisierten "verbalen Schlagabtausch" zu einem Dialog finden, dessen Linie eines Tages verständnisvollere, tragfähigere Begegnungen zwischen Religion und Politik in den Wirklichkeiten der DDR möglich machen könnte.

Dieser filmische "Zauberberg" lebt von einem humorvollen Gesprächssinn, der überrascht. Der Film überzeugt auch durch atmosphärische-befreienden Situationswitz, der die Grenzen aller säkularen Utopie deutlich macht, besonders dort, wo diese einer humanen Toleranz gerade im unauflösbaren Widerspruch nur unwillig Raum zu geben vermag. Hier öffnen sich durchaus zeit-dialektische Zugänge zur anderen deutschen Gegenwartsgesellschaft, die ohne eine so liebevoll-kritisch, glaubwürdig, sehr persönlich entwickelte Inszenierung verschlossen bleiben dürften. Wie weitergehend praktizierende Christen und selbstbewusste Marxisten-Leninisten mit einem eigenen Staatsverständnis in der DDR unserer Tage sich angesichts ihrer verschiedenen Berührungs-Wirklichkeiten hier über die optimistische Filmdramaturgie hinaus realistisch wiederfinden könne, wird für ein "westliches" Publikum allerdings erst einmal offenbleiben müssen. Diesem Film ist zu wünschen, dass er die zeitkritischen Gespräche zwischen den Generationen in beiden deutschen Gesellschafts- und Politsystemen bereichern und mit voranbringe wird.