Ein unheimlich starker Abgang

Jurybegründung

Der Ausschuss möchte mit dem höchsten Prädikat die Substanz des Films und ihre vorzügliche Realisation angemessen würdigen: Der Fall des Mädchens Sonja, das vor Gericht steht, weil es seinen Freund erschossen hat, liefert die äußeren Fakten für eine genaue Beschreibung seiner psychischen Disposition und sozialen Existenz. Diese psychische Disposition ist bestimmt durch eine naive und sich unmittelbar in Verhalten umsetzende Emotionalität, der die zweck- und wertrationale Interessensbestimmung der realen Bezugspersonen und gesellschaftlicher Institutionen und Organisationen gegenübersteht. Die soziale Existenz Sonja ist gekennzeichnet durch die Diskrepanz zwischen ihren Gefühlen und Erwartungen und der zielgerichteten Rationalität ihrer Umwelt, zwischen denen eine verstehende Vermittlung unmöglich ist. Die Umwelt bezeugt ihre Unfähigkeit, auf Gefühle und durch sie motiviertes Handeln angemessen zu reagieren; die Reaktion Sonjas auf Erfahrungen mit der Umwelt bezeugen ihre Unfähigkeit zu rationaler Einsicht in ihre Situation und die Bereitschaft zur Flucht in Vorstellungen einer Gegenwelt, in der Gefühle und Wünsche, denen Realisationschancen in der Wirklichkeit verweigert werden, personal und situational konkretisiert sind. Dementsprechend ist der surreale Schluss des Films, der bereits mit den Überzeichnungen während der Gerichtsverhandlung einsetzt und ausschließlich als Vorstellungskonstrukt der Sonja deutbar ist, von zwingender Konsequenz: Sonja erlebt die Gerichtssitzung als sich steigernde Entladung von Hass und Aggressionsbedürfnissen und antwortet darauf mit ihrem "unheimlich starken Abgang". Diesen Schluss findet der Ausschuss als substanziell und dramaturgisch überzeugend begründet. Aufgrund der hervorragenden filmischen Machart, insbesondere der Leistung der Regie und der Hauptdarstellerin wird die Substanz des Films für den Betrachter als visuelles Erlebnis erfahrbar, das emotionale Anteilnahme ermöglicht und gleichzeitig rational-kritische Fragestellungen provoziert.
Prädikat besonders wertvoll

Filminfos

Gattung:Spielfilm
Verleih:Filmverlag der Autoren
Produktion: Sentana Filmproduktion GmbH, München

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Der Ausschuss möchte mit dem höchsten Prädikat die Substanz des Films und ihre vorzügliche Realisation angemessen würdigen: Der Fall des Mädchens Sonja, das vor Gericht steht, weil es seinen Freund erschossen hat, liefert die äußeren Fakten für eine genaue Beschreibung seiner psychischen Disposition und sozialen Existenz. Diese psychische Disposition ist bestimmt durch eine naive und sich unmittelbar in Verhalten umsetzende Emotionalität, der die zweck- und wertrationale Interessensbestimmung der realen Bezugspersonen und gesellschaftlicher Institutionen und Organisationen gegenübersteht. Die soziale Existenz Sonja ist gekennzeichnet durch die Diskrepanz zwischen ihren Gefühlen und Erwartungen und der zielgerichteten Rationalität ihrer Umwelt, zwischen denen eine verstehende Vermittlung unmöglich ist. Die Umwelt bezeugt ihre Unfähigkeit, auf Gefühle und durch sie motiviertes Handeln angemessen zu reagieren; die Reaktion Sonjas auf Erfahrungen mit der Umwelt bezeugen ihre Unfähigkeit zu rationaler Einsicht in ihre Situation und die Bereitschaft zur Flucht in Vorstellungen einer Gegenwelt, in der Gefühle und Wünsche, denen Realisationschancen in der Wirklichkeit verweigert werden, personal und situational konkretisiert sind. Dementsprechend ist der surreale Schluss des Films, der bereits mit den Überzeichnungen während der Gerichtsverhandlung einsetzt und ausschließlich als Vorstellungskonstrukt der Sonja deutbar ist, von zwingender Konsequenz: Sonja erlebt die Gerichtssitzung als sich steigernde Entladung von Hass und Aggressionsbedürfnissen und antwortet darauf mit ihrem "unheimlich starken Abgang". Diesen Schluss findet der Ausschuss als substanziell und dramaturgisch überzeugend begründet. Aufgrund der hervorragenden filmischen Machart, insbesondere der Leistung der Regie und der Hauptdarstellerin wird die Substanz des Films für den Betrachter als visuelles Erlebnis erfahrbar, das emotionale Anteilnahme ermöglicht und gleichzeitig rational-kritische Fragestellungen provoziert.