Drei Leben Lang

FBW-Pressetext

Die Verfilmung des Erfolgsromans von Felicitas Korn erzählt von Michi, King und Loosi. Drei Schicksale, drei Geschichten. Unerbittlich hart und vor allem darstellerisch hochintensiv.

Michi, King und Loosi. Drei Schicksale, drei Leben. Michi und seine Schwester werden nach dem Unfalltod ihrer Eltern in verschiedene Pflegefamilien untergebracht. Für Michi ist die Trennung von seiner Schwester nur schwer zu tragen. Und ohne Halt gerät der Junge schnell auf die schiefe Bahn. King will um jeden Preis den größten Club der Stadt „regieren“. Doch der Mann, der ihm immer eine Art Vater war, steht ihm im Weg. Und Loosi verliert sich seit Jahren im Alkohol und seinen inneren Dämonen. Als mit der jungen Frau Sanni endlich ein Sonnenstrahl in sein Leben fällt, will Loosi alles tun, um sein Leben auf die Reihe zu kriegen. Doch ist es dafür nicht zu spät?

Mit DREI LEBEN LANG verfilmt Felicitas Korn ihren eigenen erfolgreichen Roman. Dabei gelingt es ihr, die bedingungslose Härte des Stoffs und die existenziellen und ausweglosen Konflikte der Figuren überzeugend und atmosphärisch extrem stimmig zu vermitteln. Die drei Geschichten werden klug nebeneinander erzählt, dabei wechselt der Fokus immer wieder hin und her. Dennoch bleibt man jeder zentralen Figur – Michi, King und Loosi – den ganzen Film über verbunden und kann sofort emotional anknüpfen. Als Hauptdarsteller tragen Friedemann Weber, Jonas Nay und André M. Hennicke die Szenen auf eindrucksvolle Weise. Unterstützt wird die Atmosphäre des Films vom intensiven Spiel mit Licht und Schatten, von einem treibenden Score und einer exzellenten Kameraführung von Julian C. Steiner und Julia Jalnasow. Alle Gewerke greifen ineinander und erzeugen einen spannenden Filmtrip, der einen bis zur überraschenden finalen Auflösung sogartig in die Story hineinzieht.
Prädikat wertvoll

Filminfos

Gattung:Drama; Spielfilm
Regie:Felicitas Korn
Darsteller:Paula Essam; Jonas Nay; André M. Hennicke; Maj-Britt Klenke; Ava R.; Friedemann Weber; Peter Lohmeyer; Jochen Döring; Heidi Ecks; Rainer Ewerrien; u.a.
Drehbuch:Felicitas Korn
Kamera:Julian C. Steiner; Julia Jalnasow
Schnitt:David J. Achilles
Musik:David Reichelt; Tim Engelhard
Länge:118 Minuten
Produktion: Maze Pictures GmbH, ZDF Das kleine Fernsehspiel; U5 Filmproduktion; Korn Film;
Förderer:FFA; DFFF; KJDF; HessenFilm und Medien

Jury-Begründung

Prädikat wertvoll

Tolle schauspielerische Leistungen und eine wirklich gute Buchidee, das lässt sich über DREI LEBEN LANG zweifelsfrei sagen. Der Film erzählt von den drei Lebensphasen seines Protagonisten. Als Kind verliert er seine Eltern, landet im Waisenhaus und gerät auf die schiefe Bahn. Als junger Erwachsener vertickt er Koks und meint von sich, der „King“ zu sein und als reifer Erwachsener ist er mehr oder weniger trockener Alkoholiker und hat im Prinzip alles, was er jemals besaß wieder verloren. Keine Frage: DREI LEBEN LANG ist die Geschichte vom rapiden Abstieg eines Mannes.


Der Film und seine Erzählstränge haben bei der Jury Wirkung gezeigt. Die Entscheidung, den Lebenslauf ihres Protagonisten in drei Lebensabschnitte zu teilen und diese lose miteinander zu verknüpfen, ist klug. Das Publikum hat die Chance, den Werdegang von Michi, resp. King oder Losi, dessen Abdriften in Kriminalität und später auch Verfall zu verfolgen, ohne gelangweilt zu sein. Dennoch berühren die Situation in den Augen der Jury zu wenig. So stellte sich in der Diskussion heraus, dass das an den mitunter grob umrissenen Charakteren, vor allem aber an deren durchaus stereotypen Darstellungen liegen könnte.

Besonders die Geschichte von King sei hier herausgegriffen. Er ist das Bindeglied zwischen dem jungen, elternlosen Michi und dem verwahrlosten Loser und insbesondere für den Abstieg des Charakters in die Kriminalität verantwortlich. Kings Leben liest sich allerdings, als sei es aus einem moralisierenden Aufklärungsfilm der 80er entnommen, oder einer Vorabendserie des Jahrzehnts. Ohne geringste Selbstzweifel, durch Koks unter Dauerstrom stehend, glaubt er nur an das Eine: dass er die Großstadt, in der er lebt, sich geschäftlich unter den Nagel reißen könne. Dafür brennt er, dafür scheint er zu leben. Kein Zweifel, die Rolle ist gut gespielt, so eindimensional sie auch ist. Die Figur des King genügt aber bestenfalls zur Comic-Gestalt. Schon nach kurzer Zeit hatten die Jurymitglieder begriffen, wohin er sich bewegt, seine restlichen Auftritte bestärkten leider mit Nachdruck diese Vermutung.

Weniger holzschnittartig ist dagegen die Eingangsstory inszeniert. Die Jury nimmt als durchaus begreifbar wahr, wie der pubertierende Michi mit dem Verlust der Eltern umgeht. Glaubwürdig auch die Kritik an der Hilflosigkeit und dem viel zu dünnen Sicherungsnetz der sozialen Einrichtungen. Doch noch ist Michi nicht der Egomane aus seinen „späteren Leben“, noch wird sein Weg dorthin gebahnt und so fehlt der Jury, zum besseren Verständnis von Charakter und Story, ein wenig Emotion, ein wenig Interaktion zwischen Michi und seiner kleinen Schwester, die Korn im dritten Lebensabschnitt immerhin wieder mit ins Boot holt.

Losi, Nomen est Omen, ist dagegen ganz unten angekommen. Dennoch soll dieser Abstieg für ihn und auch das Publikum nicht zu Ende sein. DREI LEBEN LANG zeigt, was letztlich bekannt ist: Süchtig bleibt man ein Leben lang und auch, dass sich niemand auf Süchtige verlassen sollte. Immerhin gilt qua Definition, dass eine Sucht vorliegt, wenn sich alles um die Droge dreht und alle anderen Beziehungen unwichtig geworden sind. Korn behält folgerichtig auch hier das Ich-Konzept bei. Auch wenn die Welt Losi nicht mehr viel Spielraum zum Agieren lässt, lässt Korn ihn zum alleinigen Akteur werden. Seine Außenwelt inszeniert sie um ihn herumund André M. Hennicke spielt all das hervorragend, dennoch bleibt wenig Raum für Überraschendes. Gerne hätte die Jury weniger Vereinfachungen gesehen, mehr Nuancen und hin und wieder mehr Realismus.

Um nicht missverstanden zu werden: die aufdringlichen, manchmal auch abstoßenden Elemente des Films muss ein Publikum aushalten können. Immerhin bewegt sich jeder der Charaktere auf schmalem, sozialen Grat und eine Reduzierung dieser Elemente hätten DREI LEBEN LANG letztlich eine seichte Verfilmung a la Rosamunde Pilcher gemacht. Hin und wieder aber hätte es die Jury als sinnvoll empfunden, mit der Kamera länger bei den Opfern zu verweilen, dafür aber dem Dreigestirn Michi/King/Losi weniger Raum zur Darstellung zu geben.

Äußerst positiv hat die Jury dagegen das Wirken der Postproduktion empfunden. Die Schnitte stimmen und sind, genau wie die unterschiedlichen, den drei Storys angepassten, Tempi auf die jeweilige Figur abgestimmt. Jeder Lebensabschnitt wird dramaturgisch unterschiedlich angegangen, sodass sich auch die verwobene Parallelerzählung äußerst gut nachvollziehen lässt.

Felicitas Korn hat die Verfilmung ihres Erfolgsromans selbst in die Hand genommen und sich der dramaturgischen Herausforderung gestellt. Nach langer und durchaus kontroverser Diskussion kommt die Jury zu dem Entschluss, DREI LEBEN LANG das Prädikat wertvoll zu erteilen.