Die zwölf Geschworenen

1957

Jurybegründung

Der Bewertungsausschuß hat dem Film das Prädikat „besonders wertvoll“ verleihen. Als erstes ist das hohe menschliche Ethos hervorzuheben, das diesen Film bis in jede gestalterische Einzelheit hinein prägt. Die Verantwortung, die der Einzelne trägt, die Bemühung, sich von suggestiven Einflüssen und Vorurteilen frei zu halten, der strenge Sinn für Gerechtigkeit und nicht zuletzt für die von einigen Geschworenen sträflich mißachtete Humanität, all diese hohen menschlichen Werte realisiert der Film in einer geradezu einmaligen Eindringlichkeit und Geschlossenheit. Hinzu kommt, daß das Buch mit einer erstaunlichen psychologischen Genauigkeit ausgearbeitet wurde; die höchst mannigfaltige Differenzierung der einzelnen Charaktere und die exakte Durchzeichnung der Situationen, wenn je zwei oder mehrere Personen aufeinanderstoßen, nicht zuletzt die interessante Entwicklung der Meinungsbildung wenn eine Sache wirklich ausdiskutiert wird, verleihen dem Film Dramatik und immer wieder wechselnde Spannungrade. So kann der Film es sich leisten, sich auf einen einzigen Raum als Schauplatz und ausschließlich auf die zwölf Geschworenen als Figuren des „Dramas“ zu beschränken. In dieser Beschränkung leistet nun die Kamera Vorzügliches. Ihre Bildsprache ist so intensiv und der Schnitt so treffsicher, daß der Zuschauer als heimlicher dreizehnter Geschworener einbezogen ist; sein Auge ist das der Kamera. Der Zuschauer ist mit eingeschlossen in den Raum, er macht die Diskussion und die allmähliche Herausbildung des richtigen Urteils mit. Der Wechsel der Einstellungen, die Zuhilfenahme der Nahaufnahme und die sonstigen wenigen äußeren Mittel der Kameraführung sind ganz vom dramaturgischen Sinn getragen. Die Regie verfolgt ohne besondere „Einfälle“ oder besonders expressive Mittel, aber auch ohne die Möglichkeiten, in Stimmungen auszuweichen, nichts anderes, als konsequent die Urteilsbildung bei den einzelnen Geschworenen zu entwickeln. Es ist erstaunlich, daß hierbei auch nicht eine Unwahrscheinlichkeit unterläuft. Das großartige Ensemble – von einem Ensemble muß hier unbedingt gesprochen werden, da Henry Fonda keineswegs Star ist – realisiert überzeugend, was Buch und Regie ihm aufgeben. Besonders bedeutsam ist hierbei, wie jeweils die durch das Buch ebenso wie durch die Darsteller hervorragend charakterisierten Gegenspieler wechselweise in den Vordergrund treten, und zwar derart, daß keiner der Darsteller hinter einem anderen zurückbleibt. So bildet der Film vom Stoff und Buch wie von der Regie, von der Kamera, vom Schnitt, von den Darstellern, auch von der sparsamen musikalischen Gestaltung her, ein Filmkunstwerk von seltener Geschlossenheit und Makellosigkeit.
Prädikat besonders wertvoll

Filminfos

Kategorie:Spielfilm
Regie:Sidney Lumet
Darsteller:Henry Fonda; Lee J. Cobb; Jack Warden; Ed Begley; E. G. Marshall
Drehbuch:Reginald Rose
Kamera:Saul Midwall
Schnitt:Carl Lerner
Musik:Kenyon Hopkins
Länge:96 Minuten
Verleih:United Artists Corporation
Produktion: , Orion Pictures / Nova Productions, Hollywood, Calif.

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Der Bewertungsausschuß hat dem Film das Prädikat „besonders wertvoll“ verleihen. Als erstes ist das hohe menschliche Ethos hervorzuheben, das diesen Film bis in jede gestalterische Einzelheit hinein prägt. Die Verantwortung, die der Einzelne trägt, die Bemühung, sich von suggestiven Einflüssen und Vorurteilen frei zu halten, der strenge Sinn für Gerechtigkeit und nicht zuletzt für die von einigen Geschworenen sträflich mißachtete Humanität, all diese hohen menschlichen Werte realisiert der Film in einer geradezu einmaligen Eindringlichkeit und Geschlossenheit. Hinzu kommt, daß das Buch mit einer erstaunlichen psychologischen Genauigkeit ausgearbeitet wurde; die höchst mannigfaltige Differenzierung der einzelnen Charaktere und die exakte Durchzeichnung der Situationen, wenn je zwei oder mehrere Personen aufeinanderstoßen, nicht zuletzt die interessante Entwicklung der Meinungsbildung wenn eine Sache wirklich ausdiskutiert wird, verleihen dem Film Dramatik und immer wieder wechselnde Spannungrade. So kann der Film es sich leisten, sich auf einen einzigen Raum als Schauplatz und ausschließlich auf die zwölf Geschworenen als Figuren des „Dramas“ zu beschränken. In dieser Beschränkung leistet nun die Kamera Vorzügliches. Ihre Bildsprache ist so intensiv und der Schnitt so treffsicher, daß der Zuschauer als heimlicher dreizehnter Geschworener einbezogen ist; sein Auge ist das der Kamera. Der Zuschauer ist mit eingeschlossen in den Raum, er macht die Diskussion und die allmähliche Herausbildung des richtigen Urteils mit. Der Wechsel der Einstellungen, die Zuhilfenahme der Nahaufnahme und die sonstigen wenigen äußeren Mittel der Kameraführung sind ganz vom dramaturgischen Sinn getragen. Die Regie verfolgt ohne besondere „Einfälle“ oder besonders expressive Mittel, aber auch ohne die Möglichkeiten, in Stimmungen auszuweichen, nichts anderes, als konsequent die Urteilsbildung bei den einzelnen Geschworenen zu entwickeln. Es ist erstaunlich, daß hierbei auch nicht eine Unwahrscheinlichkeit unterläuft. Das großartige Ensemble – von einem Ensemble muß hier unbedingt gesprochen werden, da Henry Fonda keineswegs Star ist – realisiert überzeugend, was Buch und Regie ihm aufgeben. Besonders bedeutsam ist hierbei, wie jeweils die durch das Buch ebenso wie durch die Darsteller hervorragend charakterisierten Gegenspieler wechselweise in den Vordergrund treten, und zwar derart, daß keiner der Darsteller hinter einem anderen zurückbleibt. So bildet der Film vom Stoff und Buch wie von der Regie, von der Kamera, vom Schnitt, von den Darstellern, auch von der sparsamen musikalischen Gestaltung her, ein Filmkunstwerk von seltener Geschlossenheit und Makellosigkeit.