Die Damen aus Boston

Filmplakat: Die Damen aus Boston

Kurzbeschreibung

Vor dem Hintergrund der Beziehungen zwischen zwei Frauen wird eine psychologisch interessante, exemplarische Episode aus der Frauenbewegung in Neu-England geschildert
Prädikat besonders wertvoll

Filminfos

Kategorie:Spielfilm
Gattung:Drama
Regie:James Ivory
Darsteller:Nancy Marchand; Madeleine Potter; Vanessa Redgrave; Christopher Reeve; Jessica Tandy
Drehbuch:Ruth Prawer Jhabvala
Buchvorlage:Henry James
Kamera:Walter Lassaly
Schnitt:Katherine Wenning
Musik:Richard Robbins
Länge:122 Minuten
Verleih:Concorde
Produktion: Merchant Ivory Production, New York, N.Y.
FSK:12

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Nach Vorgabe des Romans von Henry James wird die äußerlich einfache, psychologisch jedoch vielschichtige Handlung in epischer Breite erzählt, fast umständlich in genauer Beachtung aller Details, die zur Motivierung von Handlungen, Verhaltensweisen, Entscheidungen beitragen können. Ruhige Bildeinstellungen verweilen mit großer Gedult auf dem Ambiente, auf den Bewegungen der Menschen, auf ihren Gesichtern. Der Betrachter wird gezwungen, an kleinen, zurückhaltenden, nur selten heftigeren Reaktionen wahrzunehmen, was im Innern der beiden Hauptgestalten Olive und Verena vorgeht. Der ruhige Grundrythmus des Films wird belebt durch kalkulierte Wechsel von Interieur und Exterieur, von Gruppen - und Einzelszenen, von Totale und Großaufnahmen.

Die Spielsituationen sind nach den Prinzipien einer fast klassischen Dramaturgie geordnet und Schritt für Schritt motiviert. Es gibt steigende und fallende Handlung, Verzögerung, Katastrophe un Katharsis. Gleichzeitig bleibt jedoch der epische Grundzug durch breite Zustandsschilderungen und durch die Variation von Grundsituationen erhalten. Jede Wiederholung der Grundsituation ist eine Veränderung : ein neuer, wichtiger Schritt zur Vertiefung, Sublimierung und Differenzierung des Geschehens. Es gibt nur sparsam eingesetzte dramatische Zuspitzungen. Ein Film der stillen Töne und Farben, ohne aufgesetzte Effekte oder Gags, mit Verzicht auf action. Alles spielt auf psychologische Glaubwürdigkeit, auf subtile Differenzierung des Geschehens.

Der Film ist mit großer Sorgfalt hergestellt, in Ausstattung, Kostümen, Requisiten, Milieugestaltung peinlich detailgenau. Außen- wie Innenszenen haben atmosphärische Dichte. Der Kamera gelingen stimmungsvolle, oft hervorragend gesehene Bildeinstellungen. Die Farbgestaltung bleibt dezent. Dramaturgie, Schnitt, sparsam und sinnvoll eingesetzte Musik (in Zitaten voller Beziehung zum Geschehen) unterstützen die Handlung und tragen zu der stillen Faszination bei, die der Film auszustrahlen vermag. Überragend ist die darstellerische Leistung Vanessa Redgraves (Olive), auf hohem Niveau das Spiel von Madeleine Potter (Verena). Im übrigen sind die Rollen typengenau besetzt, die Schauspieler gut geführt. Nur bei einigen Randfiguren machen sich chargierende Übertreibungen störend bemerkbar. Bemängelt wurde auch von einem Teil des Bewertungsausschusses die Umständlichkeit, mit der viele Szenen ausgebreitet sind. Dadurch entstehen Spannungsverluste. Die Botschaft des Films schlägt dann nur bedingt durch. Inkonsequent ist in dem sonst streng realistischen Stil die Sequenz mit Olive am Meer, wenn sie Verena sucht und tot glaubt. Hier werden durch Überblendungen plötzlich Visionen suggeriert. Solche einwände wogen jedoch gering gegenüber der haerausragenden Qualität, die der Film insgesamt hat.