David Wants to Fly

Filmplakat: David Wants to Fly

FBW-Pressetext

Weil David Sieveking, Absolvent der Filmakademie, die abgründigen Themen für echte Filmkunst fehlen, erkundet er das Schaffen seines großen Idols David Lynch. Welches Geheimnis steckt hinter seiner kreativen Arbeit? Ob die Transzendentale Meditation (kurz TM) etwas damit zu tun hat, die der Kult-Regisseur schon seit Jahren anwendet? Die ambitionierte Langzeit-Recherche durch die Zentren der weltweiten Meditationsgruppe in Holland, der Schweiz und Indien wird zum mutigen Selbstexperiment und zur Identitätssuche, welche der Regisseur letztlich zu einem ebenso unterhaltsamen wie offenherzigen Essayfilm zusammenfügt. Dieser ungewöhnliche und wahrhaftige Reisebericht verbindet feine Selbstironie, entlarvende Einblicke, vielfältige Schauplätze und schöne Wendepunkte. Bewusstseinserweiternd, nicht nur für den Filmemacher!

Filminfos

Gattung:Dokumentarfilm
Regie:David Sieveking
Darsteller:Judith Bourque; Swami Swaroopanand; Ringo Starr; David Sieveking; Marie Pohl; Michael Persinger; Paul McCartney; David Lynch; Mark Landau; John Knapp; Earl Kaplan; Raja Felix; Raja Emanuel; Maharishi Mahesh Yogi
Drehbuch:David Sieveking
Kamera:Adrian Stähli
Schnitt:Martin Kayser-Landwehr
Musik:Karl Stirner
Webseite:neuevisionen.de;
Länge:100 Minuten
Kinostart:06.05.2010
Verleih:Neue Visionen
Produktion: Lichtblick Film- und Fernsehproduktion GmbH, BR; Arte; Navigator Film; Dschoint Ventschr Filmproduktion;
FSK:0
Förderer:FFA; MBB; Filmstiftung NRW; DFFF; KJDF; BAK; Filmstiftung Zürich; RTR Fernsehfonds Austria

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Beim Abschluss seines Filmstudiums ist David Sieveking 30 Jahre alt und auf der Suche nach abgründigen Themen für große Filmkunst. Sein Idol David Lynch hat in diesem Alter bereits an ERASERHEAD gearbeitet, der zum internationalen Kultfilm avancierte und eine beispiellose Karrriere begründete. Lag der Erfolg vielleicht in der Transzendentalen Meditation (TM) nach Maharishi Mahesh Yogi begründet, die der amerikanische Regisseur wie viele andere Berühmtheiten aus dem Film- und Musikgeschäft seit vielen Jahren praktiziert? David Sieveking wagt einen Selbstversuch. Ermuntert von seinem großen Vorbild, unterzieht er sich einem teuren Meditationstraining, erhält sein persönliches Mantra und versucht sich im yogischen Fliegen. Doch bald kommen ihm Zweifel und seine Recherchen fördern immer mehr Ungereimtheiten über die milliardenschwere TM-Organisation zu Tage. Während sich David Lynch nach dem Tod des Maharishi zum wichtigsten internationalen Botschafter der Bewegung entwickelt, arbeitet sich David Sieveking, ungeachtet aller Klageandrohungen von TM und privater Rückschläge, investigativ immer tiefer in die Abgründe der Organisation vor. Am Ende ist er sicher: „Jemand, der weiß, wo’s langgeht, kann einen ganz schön in die Irre führen.“

David Sieveking ist mit DAVID WANTS TO FLY ein ebenso unterhaltsamer wie aufklärerischer Film im Stil des Cinéma Vérité gelungen, der den Zuschauer auf eine spirituelle Reise über verschiedene Kontinente führt: von der Maharishi University of Management in Fairfield, Iowa, geht es in die Weltzentrale der Organisation im niederländischen Vlodrop, vom Sitz der ersten Weltregierung im schweizerischen Seelisberg zur Hauptstadt des Weltfriedens in der Mitte Indiens und schließlich hinauf zur Ganges-Quelle im Himalaya. Unterwegs treffen wir überzeugte TM-Anhänger, aber auch Aussteiger, die von ihren Erfahrungen in der Organisation berichten und mit Detailkenntnissen aufwarten. Wir nehmen teil an bedeutenden Ereignissen wie an der Bestattung des Maharishi im indischen Allahabad und der Versammlung der Führungselite, wo Kämpfe um seine Nachfolge ausbrechen, sowie an der Grundsteinlegung für die „vedische Universität“ und den Turm der Unbesiegbarkeit auf dem Berliner Teufelsberg durch David Lynch und Guru Raja Emanuel Schiffgens, dem Oberhaupt von TM Deutschland. Dabei gewährt uns die Kamera einen intimen Blick ins Innere der Organisation und das Gebaren ihrer wichtigsten Repräsentanten, wobei das Idol David Lynch zunehmend demontiert wird, und der Filmemacher David Sieveking an Konturen gewinnt.

Das eindeutige Plus an seinem Film ist, dass David Sieveking sich mit großer Neugier und Offenheit auf seinen Selbstversuch einlässt. Verlauf und Ausgang des Experiments sind am Anfang völlig ungewiss. Ist seine Suche nach Erleuchtung zunächst mehr auf das eigene Innere gerichtet, und kann man durchaus fürchten, dass er sich im TM-Labyrinth verliert, so gewinnt die Recherche im Lauf der Zeit an investigativer Dynamik. Unbeirrt und geschickt navigiert der Filmemacher dabei an den Klippen versuchter Vereinnahmung und massiver Drohungen durch TM vorbei. Seinen Gesprächspartnern nähert er sich stets respektvoll, so dass er bereitwillig Auskunft erhält. Auf diese Weise entsteht aus einer Vielzahl an Informationen und Begegnungen ein umfassendes Bild der weltumspannenden TM-Organisation und ihrer vielfältigen Aktivitäten. Einiges dürfte bekannt sein, andere Bestrebungen, wie das Vorhaben der David Lynch Foundation, TM an Schulen zu verankern, oder Universitäten zu gründen, die die eigene Lehre pseudowissenschaftlich untermauern und auf staatliche Unterstützung setzen, sorgen doch für Erschrecken – zumal die Einzelaktivitäten in ein weltumspannendes System eingebunden sind, das prominente Fürsprecher für seine Zwecke nutzt.

Indem der Regisseur seine Erkenntnisse an sich selbst ausprobiert und immer wieder neu reflektiert, gewinnt sein Film große Wahrhaftigkeit. Auch seine persönlichen Zweifel und Rückschläge, wie das Auf und Ab in der Liebesbeziehung zu seiner Freundin während der langen Recherchen und Dreharbeiten, haben so ihren besonderen Stellenwert im Film und werden immer wieder humorvoll und selbstironisch gebrochen. Obwohl David Sieveking strikt subjektiv vorgeht und immer wieder selbst im Bild präsent ist, unterscheidet sich seine Herangehensweise grundlegend vom provokanten und polemischen Stil eines Michael Moore. David Sieveking geht es nicht um Konfrontation und Propaganda, sondern er orientiert sich eher an Vorbildern wie Ross McElwee (SHERMAN’S MARCH, 1986) oder Alan Berliner (THE SWEETEST SOUND, 2001), die mit der Intimität und dem Humor eines persönlichen Essays ihr Sujet offen legen.

Auch handwerklich weiß David Sieveking zu überzeugen: Die Kamera liefert auch in schwierigen Situationen kinogerechte Bilder, der Schnitt vereint die verschiedenen Themen und Stationen zu einem stimmigen Bogen, und die insgesamt zurückhaltende Musik ist passend eingesetzt und unterstreicht die Atmosphäre der jeweiligen Szene.

DAVID WANTS TO FLY ist ein Film, der aus dem gängigen Kinoangebot herausragt, weil er ebenso amüsant wie bewusstseinserweiternd ist. Obwohl einige der gezeigten Phänomene TM-spezifisch sind, können doch Rückschlüsse auf andere Sekten gezogen werden. Der Film sollte allen Schulen empfohlen werden.