Bye, Bye Comrade

Kurzbeschreibung

Taotao ist 10 Jahre alt als der hochverehrte General Komrade Kuang stirbt.
Durch die nun einsetzende nationale Trauer wird ihre politische Korrektheit auf die Probe gestellt.
Prädikat wertvoll

Filminfos

Gattung:Animationsfilm; Kurzfilm
Regie:Tianlin Xu
Drehbuch:Tianlin Xu
Kamera:Di Yang
Schnitt:Daniel Schulze-Niehof
Musik:Timon Wawreczko,
Länge:12 Minuten
Produktion: Treibsand Film Kim Münster
Förderer:KJDF; Film- und Medienstiftung NRW

Jury-Begründung

Prädikat wertvoll

Ein Mädchen, ein toter General und die chinesische Staatstrauer: Das sind die thematischen Eckpfosten in Tianlin Xu‘s Animationsfilm BYE, BYE COMRADE

Optisch sehr originell, lautet der erste Eindruck, den die Jury in der abschließenden Filmdiskussion äußerte. In einer miniaturisierten Kulisse lässt Tianlin Xu ihre bemalten Papierfiguren agieren. Die Beleuchtung orientiert sich an Realfilmen und wirkt immer echt, Mitschnitte aus chinesischen TV-Übertragungen sorgen für das nötige Gefühl der Authentizität. Tianlin Xu‘s Papier-Stopmotion-Film ist genauso aufwändig wie ungewöhnlich.

Als das Fernsehprogramm wegen der Trauer über General Kuangs Tod unterbrochen wird, sucht die zehnjährige Taotao mit anarchischem Vergnügen nach einem anderen Programm. Alle Sender aber übertragen nur Trauermeldungen und sogar in der Schule wird der Unterricht wegen des Todes des großen Generals unterbrochen. Taotao aber scheint in einer anderen Welt zu leben. Die Jury hatte anfangs Probleme, den Film zu interpretieren. Das Gefühl, tiefer in der zeitgenössischen chinesischen Kultur verwurzelt sein zu müssen, drängte sich ihr auf. Erst allmählich zeichnete sich in der Diskussion die Tiefe des Films ab. Offenbar ist Taotao ein verträumtes, kreatives Mädchen, das beim Betrachten ihrer Umwelt immer wieder in Tagträume fällt und daher eine ganz eigene Sicht auf ihre Umwelt entwickelt.

Auch wenn sich Tianlin Xu‘s Film ab und zu in Nebensächlichkeiten verliert, ist gut zu erkennen, wie die Gleichschaltung des chinesischen Alltags Taotao zunehmend zu schaffen macht. Verordnete Staatstrauer, in Tränen aufgelöste Massen, kondolierende Menschenmengen: Das kann auch an einer Zehnjährigen nicht spurlos vorübergehen. Wenn verlangtes politisch-korrektes Verhalten auf Kreativität und Individualität trifft, dann bleibt eine Seite auf der Strecke. Die Jury sah in der Gleichschaltung des TV-Programms den Initiator zur Selbsterkenntnis Taotaos. Das Mädchen bemerkt, dass sie anders ist, als die Menschen um sie herum. Als wenn diese Aussicht nicht schlimm genug wäre, lässt Tianlin Xu ihre kleine Protagonistin grünlich Masse bemerken, die die Wände herunter rinnt und die klaustrophobische Atmosphäre noch einmal übersteigert. Die Jury erkannte: In einer Gesellschaft, in der das Kollektiv zur Norm erhoben wird, ist das Individuum einsam. Kein Wunder, dass auch Taotao sich letztlich in Tränen ergeht.

Die Jury vermutete autobiographische Bezüge hinter Tianlin Xu‘s BYE, BYE COMRADE. Das mag auch die Schwierigkeiten bei der Interpretation des Films erklären. Über den Film muss im Prinzip immer diskutiert werden, denn erst wenn die Zuschauer einen Schlüssel zur Geschichte gefunden haben, dann erscheint sie bildstark erzählt. Nach eingehender, differenzierter Beratung entschloss die Jury sich daher einstimmig, BYE, BYE COMRADE das Prädikat „wertvoll“ zu verleihen.